Hölzerne Rückseite eines Gemäldes
© SKD

Provenienzforschung an den SKD

Provenienzforschung befasst sich mit der Geschichte von Artefakten, deren Eigentümern und Besitzern. Der gesamte Weg von Atelier oder Werkstatt bis zum heutigen Platz im Museum wird dabei in den Blick genommen.
Im Rahmen des „Daphne“-Projekts klären die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) seit 2008 systematisch die Herkunft ihrer Erwerbungen seit 1933. Dabei gilt es, den Bestand nach Objekten zu durchsuchen, die

  • ihren jüdischen Eigentümer*innen und anderen Opfern der nationalsozialistischen Verfolgung seit 1933 geraubt oder auf andere Weise entzogen wurden;
  • für das geplante „Führermuseum“ in Linz an der Donau bzw. den „Sonderauftrag Linz“ beschafft worden waren und 1945 zufällig in Dresden zurückblieben;
  • im Rahmen der sog. Schlossbergung (also der Auflösung und Räumung aller Schlösser und Herrenhäuser) 1945/46 enteignet wurden;
  • von der Sowjetischen Besatzungsmacht aus dem Eigentum des ehemaligen Königshauses Wettin beschlagnahmt wurden;
  • von sog. Republikflüchtlingen oder auch legal Ausreisenden in der DDR zurückgelassen werden mussten oder die in anderen rechtswidrigen Kontexten in der DDR enteignet wurden.

Diese Fälle aufzuklären und – sofern es sich um den sogenannten NS-verfolgungsbedingten Entzug handelt – „gerechte und faire Lösungen“ im Sinne der „Washingtoner Prinzipien“ vorzubereiten, ist eine Aufgabe der Provenienzforschung. Sie ist darüber hinaus die Basis, um auch für alle anderen Fallkonstellationen Lösungen im Sinne der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen anzustreben. Als wesentliches Element der wissenschaftlichen Forschung an den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden hilft die Provenienzforschung dabei, Rechtssicherheit über sämtliche Bestände zu erhalten und nicht zuletzt die hier gewonnenen Erkenntnisse transparent darstellen zu können.

Film

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Kunst Licht – To Throw Light Upon Labour | Die Autopsie eines Bildes: Videoarbeit von Ingmar Stange
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Einführung Teil 2

Zunehmend in den Fokus rückt die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit und ihrer Zeugnisse. Untersucht wird daher auch Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten, insbesondere in den Staatlichen Ethnografischen Sammlungen. Viele bewährte Methoden und Prinzipien der Provenienzforschung können hier eingebracht werden. Darüber hinaus gibt es entscheidende neue Ansätze wie die Einbeziehung der Herkunftsgesellschaften, die für die Sammlungen sehr gewinnbringend sein können, sie aber auch vor neue Herausforderungen stellen.
Die Problemlage ist also komplex, komplexer als in den Museen der „alten“ Bundesrepublik. Die Sächsische Staatsregierung und die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden wollen mit diesem Modellprojekt ihrer besonderen moralischen Verpflichtung, die aus der historischen Rolle der Dresdner Museen resultiert, gerecht werden. Die Dokumentation der Ergebnisse des „Daphne“-Projekts ist mehrstufig geplant:

  • Stücke unklarer oder fragwürdiger Provenienz, welche möglicherweise infolge der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft (1933–1945) und der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs ("Beutekunst", 1945–1949) entzogen wurden, sowie Stücke, deren rechtmäßige Eigentümer zwischen 1933 und 1945 den SKD nicht bekannt sind, werden sukzessive in der Magdeburger Datenbank www.lostart.de veröffentlicht.
  • Ausgewählte Teile der Sammlungen sollen im Internet präsentiert werden.
  • Am Ende des Gesamtprojekts sollen die Grunddaten zum kompletten Bestand aller Museen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden im Internet recherchierbar sein.

Recherchehintergründe

NS-Kontext

Kunstwerke, bei denen ein Verdacht auf NS-Raubkunst vorliegt, und Fälle, bei denen die rechtmäßigen Eigentümerinnen und Eigentümer gesucht werden.

 	Bernardo Daddi, Enthauptung der heiligen Reparata, um 1345, H: 26 cm B: 36,5 cm, Tempera (?) auf Holz, Goldgrund, Gemäldegalerie Alte Meister, Gal.-Nr. 3577

Enteignungen in der SBZ / DDR

Objekte, die im Zuge der Bodenreform auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone (1945–1949) und in der DDR (1949–1990) enteignet wurden und in der Folge an die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden gelangt sind.

Eisenbrosche mit Bildnis einer russisch-orthodoxen Kirche, Russland [?], Ende 19. Jahrhundert, Eisendraht, Vorderseite verglast, Bild: Um[?]druck auf grundierte Pappe [?], teilweise vergoldet, 4,7 x 4,8 x 2,0 cm, Kunstgewerbemuseum, Inv.-Nr. 39919.

Ungeklärte Herkunft

Ungeklärte Fälle, bei denen die rechtmäßigen Eigentümerinnen und Eigentümer bisher nicht ermittelt werden konnten.

Porzellanmanufaktur Meissen, Koppchen mit Unterschale, um 1715, Böttgersteinzeug, schwarz glasiert, Bemalung: Kaltmalfarben und Gold, Porzellansammlung Dresden, Inv.-Nr. PE 2630 a/b

Recherchehintergründe II

Vermisste Werke

Kunstwerke, die als vermisst oder zerstört gelten.

Ausschnitt aus: Christian Wilhelm Ernst Dietrich (1712-1774), Venus als Schäferin, Öl auf Buchenholz, 38 x 30 cm (nach Kat. 1880), Gal.-Nr. 2130

Zurückgekehrte Kriegsverluste

Kunstwerke, die infolge des Zweiten Weltkriegs als verloren galten, jedoch später für die Dresdner Museen zurückgewonnen werden konnten.

Christian Wilhelm Ernst Dietrich, Frauen am Weiher, 1740; Gemäldegalerie Alte Meister, Gal. Nr. 2108

Restitutionen

Die Provenienzforschung fragt nach der Herkunft von Kunstwerken, auch mit dem Ziel, diese an ihre rechtmäßigen Eigentümerinnen und Eigentümer zu restituieren, also zurückzugeben.

Martin Schnell (oder Umkreis), Dresden, Kabinettschränkchen, 1. Hälfte 18. Jahrhundert, 63 x 84 x 38 cm, blau-weiß lackiertes Lackmöbel, ehemals Kunstgewerbemuseum Dresden, Inv.-Nr. 49341, restitutiert an Schloss Wilanów bei Warschau

Recherchehintergründe III

Verkäufe im 19./20. Jahrhundert

Kunstwerke der Dresdner Königlichen bzw. Staatlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft, die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert verkauft oder getauscht wurden.

Abgaben ans Haus Wettin 1924–1927

Kunstwerke, die gemäß dem Auseinandersetzungs- vertrag zwischen dem vormaligen Königshaus und dem neu gegründeten Freistaat Sachsen von 1924 dem Verein Haus Wettin A.L. übereignet wurden.

Verluste aus Aktion „Entartete Kunst"

Durch die NS-Aktion „Entartete Kunst“ wurden alle in Dresden bis 1937 vorhandenen öffentlichen Sammlungen der Avantgarde und der Klassischen Moderne zerstört. Nur in seltenen Einzelfällen gelang ab den 1990er Jahren die Rückerwerbung verlorener Werke.

Recherchhintergründe IV

Irrläufer

Bei der Rückführung der Dresdner Museums- bestände aus der Sowjetunion 1958 kam es zu Fehlzuweisungen, viele Stücke gelangten in das falsche Museum.

Pilgerflasche

Provenienzmerkmale

Ein wichtiges Arbeitsmittel bei der Recherche ist die Erfassung und Zuordnung von historischen Nummern und Zeichen auf dem Objekt. Einen Überblick über Provenienzmerkmale auf Werken im Besitz der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden können Sie sich hier verschaffen.

Inventarnummern

Provenienzforschung zu kolonialen Kontexten

Die Untersuchung von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten ist ein neuer, wichtiger Bereich der Provenienzforschung. Viele bewährte Recherchemethoden kommen hier zur Anwendung, zentral aber ist die Einbeziehung der Herkunftsgesellschaften in der Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit.

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© Miriam Hamburger
Major Sumner von den Ngarrindjeri, South Australia, und Malcom Siely von den Gurnaikurnai, Victoria, in der Australien-Sammlung des GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig im November 2019

Forschungsprojekte

Im Kontext der Provenienzforschung an den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden gibt es verschiedene drittmittelgeförderte Forschungsprojekte. Dabei wird vor allem Grundlagenforschung betrieben.

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Beratung zur Provenienzforschung in sächsischen Museen

In Kooperation mit der Sächsischen Landesstelle für Museumswesen berät das „Daphne“-Team sächsische Museen zu allen Fragen rund um das Thema Provenienzforschung.

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© SKD, Barbara Bechter

Medien zur Provenienzforschung

Die Provenienzforscherinnen und -forscher der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden veröffentlichen ihre Ergebnisse über verschiedene Medien - etwa in Form von Publikationen, Blogs, Filmen oder Multimediaguides.

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© SKD, Jenny Brückner

Ausstellungen

In den letzten Jahren begegneten die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden Fragen der Provenienzforschung mit thematisch einschlägigen Ausstellungen und Interventionen in ihren ständigen Ausstellungen.

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Blick in eine Vitrine mit einem aufgeschlagenem Buch
© SKD, Barbara Bechter

Veranstaltungen

Die Provenienzforscherinnen und -forscher der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden initiieren und beteiligen sich regelmäßig an Veranstaltungen innerhalb der Wissenschaftskommunikation.

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© SKD, Barbara Bechter

Austausch

Die Provenienzforschung profitiert nicht nur von der sammlungsübergreifenden Arbeit des Museumsverbunds der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, sondern auch vom intensiven Austausch mit der Fachwelt und der Öffentlichkeit: Seit 2016 beteiligt sich beispielsweise das Daphne-Projekt am jährlich stattfindenden Weiterbildungsprogramm "Provenienzforschung" der Freien Universität Berlin, 2017 traf sich der „Arbeitskreis Provenienzforschung e. V.“ in Dresden, 2019 waren die SKD Gastgeber des Deutsch-Amerikanischen Austauschprogramms zur Provenienzforschung PREP.

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© SKD, Barbara Bechter

Team & Kontakt

Den Kontakt zum Team der Provenienzforscherinnen und -forscher an den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden finden Sie hier.

© Maria Obenaus
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