Zurückgekehrte Kriegsverluste

Während des Zweiten Weltkriegs erfolgte die Auslagerung eines Großteils der Bestände der Staatlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft Dresden zu ihrem Schutz vor möglichen Luftangriffen in mehr als vierzig Depots in und außerhalb der Stadt. Untergebracht wurden die Kunstwerke in Museumskellern, Tresoren, Burgen und Schlössern. 1943/44 erfolgte die Umlagerung von Gemälden – vor allem der bedeutendsten Galeriebilder – in einen stillgelegten Eisenbahntunnel und ein Kalksteinwerk. Trotz der teils widrigen Bergungsbedingungen nahmen die Werke bis zum Mai 1945 keine nennenswerten Schäden, da die Depots von Restauratoren eng getaktet kontrolliert wurden, die schwierigsten Bergungsorte sogar klimatisiert und beheizt werden konnten.
Kurz vor und nach Kriegsende kam es an verschiedenen Auslagerungsorten zu Plünderungen und Diebstählen durch Zivilisten und Armeeangehörige. Wenige Tage nach dem 8. Mai 1945 begannen die sogenannten Trophäenbrigaden der Roten Armee, die Werke der Dresdner Museen in Schloss Pillnitz zusammenzuführen. Dabei wurden sie von sowjetischen Museumsspezialisten beraten, die bereits lange vor Kriegsende begonnen hatten, Trophäenlisten zusammenzustellen und die zudem die Echtheit der Werke gegenüber der sowjetischen Führung zu garantieren hatten. Ab Sommer 1945 wurden die Trophäen in die UdSSR transportiert – zunächst geplant als Kompensation für die durch das NS-Regime verursachten eigenen Verluste. Trotz der Rückgabe wesentlicher Teile dieser Kriegstrophäen aus der Sowjetunion ab 1955 verzeichnen alle Museen der Staatlichen Kunstsammlungen infolge des Zweiten Weltkriegs bis heute immer noch große Verluste, von denen die meisten bis heute in den Nachfolgestaaten der UdSSR vermutet werden.
Hans Eberts 1963 erschienener Katalog „Kriegsverluste der Dresdener Gemäldegalerie - Vernichtete und vermißte Werke“, der 507 Gemälde, Pastelle und Miniaturen als vermisst dokumentiert, machte die Verlustbilder bereits sehr frühzeitig einer breiten internationalen Öffentlichkeit bekannt. Über die Jahrzehnte kehrten allein über 80 Gemälde Alter und Neuer Meister zurück. Das Kupferstich-Kabinett konnte ebenfalls etliche Werke zurückerlangen, dennoch sind etwa 50.000 Blätter weiterhin verschollen.
Wichtigen Anteil an den Rückführungsvorgängen der letzten Jahre haben das Londoner Art Loss Register, das im Auftrag von Auktionshäusern, Privatpersonen und Museen recherchiert sowie die Lost Art-Datenbank des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste, in der unter anderem kriegsbedingt verbrachtes Kulturgut veröffentlicht, also frei zugänglich und recherchierbar ist. Es ist in einer Vielzahl der Fälle Hinweisen aus dem Kunsthandel, von Museumskolleg*innen oder Privatpersonen zu verdanken, dass immer wieder vermisste Kunstwerke auf dem internationalen Kunstmarkt aufgespürt werden und im Idealfall für Dresden zurückgewonnen werden können.
Neben Publikationen, die seit den 1960er Jahren zum Thema der Dresdner Kriegsverluste erschienen, widmeten die SKD diesem Thema im Jahr 1998 die umfangreiche Ausstellung „Zurück in Dresden – Eine Ausstellung ehemals vermißter Werke aus Dresdner Museen“ sowie 2018/2019 die Ausstellung „Kunstbesitz. Kunstverlust – Objekte und ihre Herkunft“, in welchen zurückgekehrte Kriegsverluste mehrerer Sammlungen präsentiert wurden.

Literatur (Auswahl)
Hans Ebert, Kriegsverluste der Dresdener Gemäldegalerie - Vernichtete und vermißte Werke, Dresden 1963.
Christian Dittrich, Vermißte Zeichnungen des Kupferstich-Kabinettes Dresden, Dresden 1987.
Zurück in Dresden: eine Ausstellung ehemals vermißter Werke aus Dresdener Museen, Ausst.-Kat. Staatliche Kunstsammlungen Dresden, 1998, hg. von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Eurasburg 1998.
Uta Neidhardt, Kriegsverluste der Dresdener Gemäldegalerie – Geschichte mit offenem Ausgang, in: Heinrich Becker (Hg.), Schattengalerie – Symposium zur Beutekunst: Forschung, Recht und Praxis, Aachen 2010, S. 39-55
Thomas Rudert, Die kriegsbedingte Bergung der Kunstwerke aus der Staatlichen Gemäldegalerie Dresden ab August 1939, in: Dresdener Kunstblätter, 3/2015, S.4 – 17.
Kunstbesitz. Kunstverlust. Objekte und ihre Herkunft, Ausst.-Kat. Staatliche Kunstsammlungen Dresden 2018/2019, hg. von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Abteilung Forschung und wissenschaftliche Kooperation, Dresden 2018.
Katja Lindenau, Carina Merseburger, Claudia Maria Müller, Späte Rückkehrer – Aktuelle Beispiele aus den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, in: Museumsblätter – Mitteilungen des Museumsverbandes Brandenburg, Sammlungsverluste der Museen im Zweiten Weltkrieg – Auslagerung, Plünderung und Zerstörung; Bergung, Rettung und Rückführung; Perspektiven: Die Suche geht weiter, Dezember 2020, S. 48 – 51.

Rechercheobjekte Zurückgekehrte Kriegsverluste in unserer Online-Collection

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