Es ist deshalb kein Zufall
Es ist deshalb kein Zufall, dass der Tessiner Bildhauer Antonio Brocco und seine Mitarbeiter, die 1553 den heutigen Pretiosensaal des Grünen Gewölbes und das Turmzimmer mit ihren Stuckaturen ausgeschmückt hatten, von dem mit den sächsischen Herrschern befreundeten böhmischen Statthalter Ferdinand nach Prag geholt wurden, damit sie das Jagdschloss Stern mit ebensolchen Dekorationen versehen. Auch der von Kaiser Rudolf II. veranlasste Bau eines monumentalen Prunkpferdestalles mit darüber liegenden Sammlungsräumen in der Prager Burg und der Dresdner Stallhof mit Langem Gang und Neuem Stall (Johanneum) entstanden in engem Zusammenhang. Zudem verfügte Dresden seit 1597 nach Prager Vorbild über eine Poliermühle für Marmor, Kristall und Edelsteine, die für die Veredlung sächsischer Naturschätze von großer Bedeutung war.
Heute sind es insbesondere Exponate der im Residenzschloss beheimateten Ausstellungen des Grünen Gewölbes und der Rüstkammer, die an den fruchtbaren Austausch mit Böhmen und Mähren seit dem Mittelalter erinnern. Die in Prag begonnenen und dann in Ambras fortgesetzte Sammeltätigkeit des nunmehrigen Erzherzogs Ferdinand II. von Tirol und dann vor allem die unermesslichen Kollektionen, die Rudolf II. zusammentrug, inspirierten die sächsischen Herrscher zu einer großartigen eigenen Sammeltätigkeit. Aus Prag stammten dafür wichtige Ideen, dort in Auftrag gegebene oder erworbene Kunstwerke, nach dem Tod Rudolfs zunehmend auch hochspezialisierte Handwerker und Künstler.
Vom internationalen Rang der rudolfinischen Hofkunst zeugen in Dresden Pretiosen, die mit den Namen der Familien Castrucci und Miseroni, Jan Vermeyen, Hans von Aachen, Adriaen de Vries u. a. verbunden sind. Vielfach haben sie ihre besten Pendants in der einstigen kaiserlichen Kollektion, die sich heute größtenteils im Kunsthistorischen Museum in Wien befindet. Aus Eger/Cheb wurden etliche Kabinettstücke mit Reliefintarsien bezogen. Der Prager Goldschmied Johann Michael lieferte eines der im europäischen Kontext prunkvollsten Reitzeuge alla turca mit umfangreichem Zubehör an den sächsischen Hof. Meisterwerke von in beiden Städten wirkenden Elfenbeindrechslern und -schnitzern sowie Glasschneidern belegen den weiteren Austausch, der sich nach dem Dreißigjährigen Krieg mit neuer Qualität vor allem auf dem Gebiet der Skulptur fortsetzte.
Auch im 18. Jahrhundert hatten Prager Goldschmiede und Juweliere wie der zeitweise auch als Inspektor im Grünen Gewölbes wirkende Franz Michael Diespach Anteil am Glanz der Dresdner Hofhaltung im Zeichen der sächsisch-polnischen Union. Ansonsten waren es damals böhmische Büchsenmacher, deren luxuriöse Prunkfeuerwaffen in Dresden begehrte Sammelobjekte waren und ab 1733 zu den Schaustücken der im Langen Gang eingerichteten Gewehrgalerie gehörten.
Durch glückliche Umstände blieben die Bestände des Grünen Gewölbes und der Rüstkammer trotz Kriegen und Auslagerungen weitgehend erhalten und vermitteln so bis heute eine großartige Vorstellung von der fürstlichen Prachtentfaltung, dem Repräsentationsanspruch und dem Kunstwollen der sächsischen Herrscher des 16.–18. Jahrhunderts. Darunter nehmen Werke, die durch ihre Herkunft, ihr Material und ihre Geschichte unterschiedliche Beziehungen nach Prag, Böhmen und Mähren aufweisen, einen wichtigen Platz ein. Eine Auswahl davon ist in den Ausstellungen mit diesem Zeichen (XX) gekennzeichnet und hier verzeichnet.