Stannaki-Forum

Das Stannaki-Forum ist nach dem amerikanischen Tuski Stannaki benannt, der zusammen mit Ocktscha Rinscha aus seinen indigenen Gemeinschaften der Choctaw und Muscogee an den Sächsischen Hof von Augustus II. verschleppt wurde. Wie der Historiker Craig Koslofsky in Beyond Exceptionalism, Traces of Slavery and the Slave Trade in Early Modern Germany (2021) erläutert, kamen beide 1722 in Dresden an, nachdem sie der Gewalt des transatlantischen Handels ausgesetzt waren, gefolgt von Aufenthalten in London, Paris, Wien und Breslau. Sie wurden von dem Briten John Pight, einem brutalen Versklaver von Ureinwohnern im amerikanischen Südosten während des späten 17. Jahrhunderts, gefangen genommen. In historischen Berichten aus Leipzig und London werden sie als "Sohn des Kaisers der Nawcheys" beschrieben und unter "dem Namen Oakecharinga Tiggwawtubby Tocholochy Ynca [Ocktscha Rinscha] bekannt; sowie als Sohn des Königs der Istowlawleys, genannt Tuskestannaggee Whosly Powon Mico [Tuski Stannaki]. " Während der erste Name auf einen Choctaw-Ursprung hindeutet, scheint es sich bei dem zweiten Namen um das Muscogee-Wort "Tvstvnvke" zu handeln, das "Krieger" bedeutet, während "Mico" in der Muscogee-Sprache "Häuptling" bedeutet.
Das Forum soll dazu beitragen, die Bedeutung des diasporischen Lebens in Dresden über mehrere Jahrhunderte anzuerkennen und als nicht abgeschlossene Geschichte zu würdigen.

Die Forschung dankt Craig Koslofsky für die fachliche Beratung zu Tuski Stannaki als Namensgeber des Forums. Die Programmierung der Reihe wird von Talking Objects Lab beraten.

06.11.2024 'Zuhören'

Trommeln und Stöcke

Silje Figenschou Thoresen und der Künstler Fredrik Prost im Gespräch mit Maria Andó (SES Leipzig), moderiert von Maria Lind. Japanisches Palais Dresden, 18 Uhr
Das Gespräch findet auf Englisch statt, der Eintritt ist frei.

Online Teilnahme: https://zoom.us/j/95616871683
Meeting-ID: 956 1687 1683, Kenncode: 892956
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© Sammlungsübergreifende Forschung, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Forschungsbesuch von Fredrik Prost, Silje Figenschou Thoresen und Maria Lind in den Sammlungen der SKD im Mai 2024, hier in den Staatlichen Ethnografischen Sammlungen mit Maria Andó in Leipzig.

Zuhören

Ausgangspunkt für diese Ausgabe des Stannaki-Forums ist die samische Sammlung des Museumsverbundes: Aktuell werden 229 Objekte als Kulturgegenstände der Sápmi im Norden Norwegens, Schwedens, Finnlands und Russlands geführt. Ein Teil davon gelangte durch Gustav Friedrich Klemm (1802-1867), Anthropologe und Leiter der Königlichen Bibliothek in Dresden, in die Sammlungen. In seiner zehnbändigen Kulturgeschichte ordnete Klemm die Sámen als Finnen in die Kategorie der „passiven“ Völker ein, im Gegensatz zu den „aktiven“ Völkern. Es veranschaulicht eine jahrhundertelange Kolonialität der Forschung innerhalb Europas in Bezug auf das einzige indigene Volk auf dem europäischen Festland. Die sámischen Künstler Silje Figenschou Thoresen und Fredrik Prost wurden eingeladen, mit Forschenden der SKD ins Gespräch zu kommen und Zeit mit den sámischen Objekten in Dresden und Leipzig zu verbringen. Im Stannaki Forum werden sie über ihre Begegnungen mit den Objekten reflektieren. Ausgehend von ihrer individuellen künstlerischen Praxis werden sie erzählen, wie die Gruppe der Kemi Sámi auf der finnischen Seite von Sápmi seit der Herstellung einer der Trommeln in der Sammlung beinahe ausgestorben ist. In einem weiteren Teil geht es um die Frage, wie z.B. Stöcke – angesichts der Tradition ihrer ständigen Wiederverwendung und warum diese keine Spuren in der Landschaft hinterlassen haben – in den Museen gelandet sind. Das Stannaki Forum wird in Zusammenarbeit mit dem Kin Museum für zeitgenössische Kunst in Kiruna auf der schwedischen Seite von Sápmi und im Gespräch mit den Staatlichen Ethnographischen Sammlungen realisiert.
Silje Figenschou Thoresen ist Nordsámi und lebt und arbeitet in Kirkenes im Norden Norwegens. Figenschou Thoresen arbeitet als zeitgenössische Künstlerin, kommt aber aus dem Designbereich und hat einen MA in Möbeldesign von der Konstfack in Stockholm. Ihre Werke wurden u. a. im norwegischen Nationalmuseum, im Sámi Centre of Contemporary Art, im lettischen Zentrum für zeitgenössische Kunst, im Museum für zeitgenössische Kunst in Estland, in Liljevalchs, Schweden, im Marabouparken, Schweden, und im Kunstnerforbundet, Norwegen, ausgestellt.
Fredrik Prost ist ein sámischer Künstler, dessen Schaffen sich sowohl auf traditionelle als auch auf zeitgenössische sámische Kunstformen bezieht. Im Jahr 2001 immatrikulierte er sich an der renommierten sámischen Schule für Kunst und Handwerk in Jokkmokk, Schweden. Seit 2010 ist er hauptberuflich als Künstler tätig. Des Weiteren ist er als Schriftsteller tätig und hat verschiedene Artikel sowie ein Buch veröffentlicht. Vor über zwanzig Jahren begann er, sámische Trommeln zu erforschen und zu bauen. Daraus entstand ein 340-seitiges Buch, welches im Jahr 2023 im renommierten sámischen Verlag DAT veröffentlicht wurde.
Marita Andó ist Diplom-Ethnologin (Humboldt-Universität Berlin) und seit mehr als 40 Jahren wissenschaftliche Mitarbeiterin für die Sammlungsbestände von Europa, Nord-/Zentralasien am GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. 
Maria Lind ist Kuratorin, Autorin und Pädagogin und arbeitet derzeit als Direktorin des Kin Museum of Contemporary Work in Giron/Kiruna.
 

08.11.2023 'Konstellation'

Knotted and Armed

Christine Müller-Radloff und Dr. Stefano Rinaldi im Gespräch mit Mahshid Mahboubifar und Natalia Zaitseva, moderiert von Mareike Bernien; Japanisches Palais Dresden. Das Gespräch findet auf Englisch statt, der Eintritt ist frei.
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© Natalia Zaitseva

Knotted and armed

Verändert sich ein Objekt im Moment seiner Archivierung in einer Sammlung? Welche Geschichten werden überliefert? Welche Geschichten gehen dabei verloren? Wie lassen sich diese Narrative aufspüren und wie können sie hörbar werden? In ihrer Videoarbeit „Too Much Past Is a Dangerous Thing“ erzählt Mahshid Mahboubifar von der verlorengegangenen Hälfte eines Teppichs aus der Ethnographischen Sammlung der SKD anhand von Fragmenten eigener biographischer Erinnerung und verwebt diese mit dem Mythos der Arachne-Sage. Natalia Zaitseva gibt einer Steinschlosspistole aus dem 17. Jahrhundert in ihrer Arbeit „Interview with a Pistol” eine Stimme, um sie den kritischen Fragen einer Forscherin auszusetzen. Beide künstlerischen Positionen arbeiten auf unterschiedliche Weise mit recherchebasierten Methoden und Mitteln der Spekulation, um eingelagerte, verlorene oder bislang ungehörte Objektgeschichten als transkulturelle Konstellationen wahrnehmbar werden zu lassen. Die Arbeiten sind derzeit in der Ausstellung „Wir zeigen, was wir (nicht) wissen - Bilder als Forschung,“ eine Zusammenarbeit mit 16 Studierenden der Klasse expanded cinema der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, zu sehen. Im Stannaki Forum sprechen Mahshid Mahboubifar und Natalia Zaitseva gemeinsam mit Christine Müller-Radloff, Restauratorin der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen, und Dr. Stefano Rinaldi, Konservator der Rüstkammer, über ihren Austausch und den Entstehungsprozess ihrer Werke. Methoden künstlerischer Forschung in Interaktion mit wissenschaftlicher Forschungsarbeit werden in diesem Stannaki Forum diskutiert und es stellt sich die Frage, welche transkulturellen Einschreibungen der Objekte über die Verknüpfung der Methoden ablesbar werden.

06.09.2023 'Travel'

Festgehalten in Wasserfarben

Mabe Bethônico, Jane Boddy und Malina Mallach im Gespräch, moderiert von Paul Goodwin.
Im Studiensaal des Kupferstich-Kabinetts, Residenzschloss, Dresden.
Das Gespräch findet auf Englisch statt.

Kostenfrei, ohne Anmeldung.

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© SKD, Zacharias Wagner, 'Thier Buch'

Travel

In der 1630 durch Truppen der Niederländischen Westindien-Kompanie (WIC) eroberten Kolonie „Niederländisch Brasilien“ fertigte der in Dresden aufgewachsene Zacharias Wagner sein „Thier Buch“ (1634-1641) an: In 110 Wasserfarbenzeichnungen bildete er dort die brasilianische Tier- und Pflanzenwelt detailgetreu ab und kommentierte sie. Wagner, der im Dienste der WIC stand, porträtierte jedoch auch indigene und afro-brasilianische Menschen, deren Identität der nicht näher spezifizierte. Er illustrierte außerdem verschiedene Szenen, die seine Sicht auf das Leben im kolonialen Brasilien wiedergeben: darunter als nahezu einzigartiges Motiv im 17. Jahrhundert einen Sklavenmarkt auf dem zentralen Platz der Stadt Recife.
Die Kommentare Wagners rühren nicht allein von einem (wissenschaftlichen) Erkenntnisinteresse, sondern auch von einer Neugier auf Motive über seine europäischen Sehgewohnheiten hinaus. Auf Deutsch verfasst, wollte er mit dem „Thier Buch“ wohl vor allem seine Eindrücke aus der „Neuen Welt“ für sich und seine Familie privat festhalten. In Dresden wurde das Werk 1738 erstmals im Inventar der kurfürstlichen Sammlungen erwähnt. Zu diesem Zeitpunkt war das Interesse des sächsischen Hofes an sog. „Exotika“ nichts Neues: Die höfische Aneignung und Inszenierung des über Europa hinaus Weisenden bedeutete zwischen fürstlicher Repräsentation, Wissenschaftsförderung und ökonomischen Interessen auch immer die Überhöhung der eigenen Kultur.
Im Stannaki Forum sprechen die Künstlerin Mabe Bethônico sowie die Kunsthistorikerinnnen Jane Boddy (Kupferstich-Kabinett, SKD) und Mailena Mallach (Kupferstich-Kabinett, SKD) über die visuelle Grammatik der Wasserfarbenzeichnungen im „Thier Buch“ und befragen die in kolonialem Kontext entstandenen Repräsentationen Schwarzer und indigener Menschen aus heutiger Sicht. Moderiert vom Kurator, Forscher und Professor Paul Goodwin.

07.06.2023 'Bergbau'

Aquasi Boachi - Transkontinentale Erinnerungen

1847 studierte Aquasi Boachi, auch bekannt als Kwasi Boakye, ein Aschanti-Prinz aus dem heutigen Ghana,  Bergbau im sächsischen Freiberg. Als historische Persönlichkeit der späten Romantik porträtierte ihn der Dresdner Hofmaler Carl Christian Vogel von Vogelstein. Das Gemälde aus dem Stadt- und Bergbaumuseum Freiberg wird jetzt als Leihgabe im Albertinum ausgestellt. Das Stannaki Forum nimmt das Gemälde und Boachis Biografie zum Anlass, um Ressonanzen in der Kultur-, Arbeits- und Beziehungsgeschichte zwischen Ghana und Sachsen zu reflektieren. Im Gespräch waren dafür der Konservator D. Holger Birkholz (Albertinum, SKD) und die Kulturwissenschaftlerin Andrea-Vicky Amankwaa-Birago, moderiert von der Kunstwissenschaftlerin und Kuratorin Dr. Mahret Ifeoma Kupka.
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© SKD
05.04.2023 'Motivtransfer'

From Porcelain to Porcelain

Angeregt von ostasiatischer Porzellankunst entwickelte der Dresdner Hof im 17. und 18. Jahrhundert großes Interesse an diesem Kunsthandwerk und versuchte sich, mit Erfolg und künstlerischer Exzellenz, an Reproduktionen. Heute stehen daher in der Porzellansammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden Porzellane aus dem Chinesischen Kaiserreich in unmittelbarer Nähe zu Meissner Porzellanen, bemalt mit "Chinoiserien". Die figürlichen Szenen und Landschaften "à la chinoise" sind ein zu entschlüsselnder Wissensspeicher über die Wahrnehmung und Beurteilung des Chinesischen Kaisereichs in Europa, die wir heute im Spannungsverhältnis zwischen kultureller Aneignung und europäischer Vermarktung besprechen. In der Nachahmung der chinesischen Kunsttechnologie par excellence, der Porzellankunst, einerseites und deren Vereinnahmung durch eurozentrische Motivik und Ästhetik andererseits, produzierten Meissner Porzellanmaler stereotype Vorstellungen asiatischer Menschen und ihrer Kultur. Das Stannaki Forum will den Methoden zur Spurensuche und Entschlüsselung der Motive auf den Grund gehen, sowie der Frage nach Kommentierung und Umgang mit Chinoiserien ohne Reproduzierung von Stereotypen in der Gegenwart. Dafür kamen der Künstler Tuan Mami, die Direktorin der Porzellansammlung der Staatlichen Kunstsammlung Dresden Julia Weber und die Künstlerin Sojin Baik unter Moderation von Anna-Lisa Reith ins Gespräch.
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© Chinese garden, Tuan Mami
07.12.2022 'Arbeit'

Buckelbergwerk und Silberzirkulation

Kann man einen Berg mit einem Rücken vergleichen? Das Principio Potosí Archiv ist eine Sammlung von historischen und zeitgenössischen Quellen, Interviews, Essays, Gedichten, Manifesten und Bildern. Im Archiv gibt es einige Verweise auf den historischen Zusammenhang zwischen Potosí und dem Silberabbau in Sachsen. Diesem Zusammenhang ging dieses Forum nach. Alice Creischer und Andreas Siekmann sind KünstlerInnen und leben in Berlin. Ab 2010 realisierten sie Principio Potosí als Ausstellung u. a. im Museo Reina Sofía in Madrid und im Haus der Kulturen der Welt (HKW) in Berlin. Im Rahmen des Forums kamen sie ins Gespräch mit Mitarbeiter*innen des Museums für Sächsische Volkskunst und des Münzkabinetts.
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© SKD, Foto: Karsten Jahnke
Buckelbergwerk aus dem Museum für Sächsische Volkskunst, Sachsen, 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts
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