Einladung zum Pressegespräch | Ernst Barlach zum 150. Geburtstag. Eine Retrospektive

28. Juli 2020

Ernst Barlach zum 150. Geburtstag

2020 jährt sich der Geburtstag Ernst Barlachs (1870–1938) zum 150. Mal. Gemeinsam mit dem Ernst Barlach Haus – Stiftung Hermann F. Reemtsma in Hamburg und in Kooperation mit der Ernst Barlach Stiftung in Güstrow widmet das Albertinum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) dem Künstler eine umfangreiche Retrospektive.

  • Laufzeit 08.08.2020—10.01.2021

Erstmals bildet eine Ausstellung

Erstmals bildet eine Ausstellung in Dresden – dem Ort des Beginns seiner künstlerischen Laufbahn – das gesamte Lebenswerk Ernst Barlachs ab, der wie kaum ein zweiter Künstler des 20. Jahrhunderts eine weitverbreitete Popularität in Deutschland genießt. Obgleich in erster Linie als Holzbildhauer bekannt, war Barlach auch ein in anderen Medien vielfach begabter und tätiger Künstler: Er war Zeichner, Grafiker, Autor zahlreicher Dramen und Prosawerke sowie leidenschaftlicher Briefeschreiber.

Die Schau zeigt Barlachs Multimedialität in großer Dichte. Im Mittelpunkt stehen seine Holzskulpturen, Zeichnungen und Skizzenbücher. Die Exponate sind zum Großteil hochkarätige Leihgaben aus dem Ernst Barlach Haus in Hamburg und der Ernst Barlach Stiftung in Güstrow: 24 von insgesamt 30 präsentierten Holzskulpturen sowie rund 100 Plastiken und Zeichnungen kommen aus Hamburg; 25 Skizzenbücher, Zeichnungen und Skulpturen stellt die Güstrower Stiftung zur Verfügung. Leihgaben aus weiteren deutschen Museen und privaten Sammlungen vervollständigen die Präsentation. Die Ausstellung umfasst zudem eine große Auswahl an Lithografien und Holzschnitten aus dem umfangreichen Bestand des Kupferstich-Kabinetts der SKD. Ermöglicht wurde das Projekt durch die großzügige finanzielle Unterstützung der Hermann Reemtsma Stiftung, Hamburg.

Rund 230 Werke aus allen Schaffensperioden und -bereichen des Künstlers legen die wichtigsten Stationen seines Lebens dar und beleuchten seine künstlerischen Entwicklungslinien. Veranschaulicht wird Barlachs besondere Leistung im Kontext der Moderne, die sich schließlich im Figurenkosmos seiner Holzskulpturen in ihrer unverwechselbaren Formensprache Bahn bricht.

Der Rundgang beginnt mit seinen ersten Schritten als Künstler in Hamburg und ab 1891 in Dresden, die zunächst vom Jugendstil, Naturalismus und Symbolismus geprägt waren. Dem Publikum weitgehend unbekannt, wird sein Frühwerk, das bis 1905 entstand, in der Präsentation mit eindrucksvollen Skizzenbüchern, Zeichnungen und ersten bildhauerischen sowie kunstgewerblichen Exponaten veranschaulicht.

Ebenso wird seine 1906 angetretene Russlandreise thematisiert, die seinen eigenen Stil nachhaltig verändern und festigen sollte. Nach diesem für ihn so wichtigen Aufenthalt prägten Bettlerfiguren, Außenseiter*innen oder Einzelgänger*innen sein Hauptwerk, in dem sich Barlach den Grundfragen menschlicher Existenz widmete. Sein künstlerischer Stil entwickelte sich zu einer formal reduzierten, vereinfachten Form, indem er genau Beobachtetes mit Abstraktion verband und innere Vorgänge äußerlich sichtbar machte. Dabei wurde Holz zu seinem bevorzugten Material. Vor allem in den 1920er-Jahren, die den Höhepunkt von Barlachs Erfolg markieren, waren die Holzskulpturen in Ausstellungen im In- und Ausland vertreten und wurden von Museen oder Privatsammlern angekauft.

Obgleich ohne konfessionelle Bindung, beschäftigte sich Barlach nach 1918 auch mit den Kernfragen des Glaubens. Sein Werk spiegelt die Nachwirkungen des Ersten Weltkriegs wider, das sich in der Darstellung Notleidender oder Versehrter manifestiert und Randfiguren der Gesellschaft in den Fokus rückt.

Nach 1927 fand Barlach Ausdruck für die erlebten Schrecken des Weltkriegs in der Gestaltung verschiedener Ehrenmale. In seinen Gedenkzeichen verzichtet er vor allem auf die Heroisierung des Kriegsgeschehens und spricht den Betrachter unmittelbar an. Zeichnungen, Studien, plastische Entwürfe und Fotografien beleuchten die Schaffensprozesse, die zu seinen Ehrenmalen in Kiel, Hamburg, Magdeburg oder zur berühmten Plastik Der Schwebende (1927) im Dom zu Güstrow führten.

Die Verfemung Barlachs während des Nationalsozialismus wird in der Retrospektive intensiv besprochen. Bis zu seinem Tod war Barlach als „entarteter Künstler“ geächtet: Zahllose Grafiken, Skulpturen und Plastiken wurden aus Museumsbesitz – so auch in Dresden – beschlagnahmt. Seine Denkmäler wurden aus dem öffentlichen Raum entfernt, Ausstellungen seiner Werke und Aufführungen seiner Dramen untersagt, zudem frühere Ehrungen zurückgenommen.

Die in der Präsentation vertretene Holzskulptur Frierendes Mädchen von 1917 aus dem Ernst Barlach Haus in Hamburg hat eine besondere historische Verbindung zu den SKD. Sie wurde 1920 für die Skulpturensammlung im Albertinum erworben und gehörte 1937 zu eben jenen durch die Nationalsozialisten beschlagnahmten Werken. Nach über 80 Jahren findet sie als Leihgabe nun erstmals ihren Weg zurück nach Dresden.

Zum 150. Geburtstag thematisiert die Ausstellung umfassend die Rezeption des Künstlers und seinen hohen Stellenwert in Ost- und Westdeutschland nach 1945. Sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR wurde Barlach vom verfolgten Künstler im Nationalsozialismus zur staatlichen Identifikationsfigur, geschätzten und viel diskutierten Künstlerpersönlichkeit.

Begleitend zur Sonderausstellung erscheint die Publikation „Ernst Barlach „... was wird bis Übermorgen gelten?“ Eine Retrospektive“ im Sandstein Verlag, herausgegeben von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Astrid Nielsen, Hilke Wagner, 496 Seiten, 48 €, ISBN 978-3-95498-553-1.

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