Tattoo 3
Das Durchbohren der Haut mit Scheiben und Pflöcken aus unterschiedlichen Materialien war und ist gängige Praxis in vielen Teilen der Welt: Bei den Moche in Peru markieren Pflöcke in den Ohren den sozialen Status; die Angehörigen der Makonde in Mosambik und Tansania tragen Lippen- und Ohrteller als Schmuck und mit Zungenpiercings bringen die mexikanischen Maya ihre Opferbereitschaft gegenüber den Göttern zum Ausdruck. Gesichts- und Körperschmuck wird nicht nur als Zeichen für die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder Gemeinschaft, von Geschlecht, Alter und sozialem Status getragen, sondern dient auch der Verwandlung. Im europäischen Raum ist der Ohrring ein Piercing, das als solches oftmals gar nicht mehr wahrgenommen wird.
Erinnern, Heilen, Verwandeln und Schützen sind vier grundlegende Motive, die unter die Haut gehen. Der Verlust einer wichtigen Person, der Abschluss eines Lebenskapitels oder die Überwindung einer schweren Krankheit finden in unterschiedlichen Tattoomotiven ihren Ausdruck. Vier Protagonist*innen aus dem im Leipziger Völkerkundemuseum angelegten lebendigen Archiv zeigen ihre Körperkunst und teilen die persönlichen und intimen Geschichten dahinter mit. Die Fotografien mit den zugehörigen Erzählungen stehen Objekten gegenüber, deren materielle Erzählungen und Bedeutungen von ähnlichen Ereignissen berichten.
Dass Menschen ihren Körper schmücken und verändern, ist kein neues Phänomen. Neben Kleidung und Frisuren zieren auch Bilder und Schmuckstücke – tätowiert und gepierct durch die Haut – menschliche Körper. Lange vor dem weltweiten Siegeszug der elektrischen Tätowiermaschine, 1891 von Samuel F. O’Reillys in den USA erfunden, wurden unterschiedliche Werkzeuge zum Tätowieren und auch Piercen entwickelt. Trotz der hohen Genauigkeit und Effizienz der elektrischen Maschinen, werden die diversen Techniken noch immer gepflegt: So verwenden samoanische Tätowierer auf Aotearoa/Neuseeland einen mit Knochen oder Fischzähnen besetzen Stab, um mit Hilfe eines Klöppels die Farbe unter die Haut zu meißeln. Hier steht nicht nur das Motiv, sondern der Akt des Tätowierens im Vordergrund: es handelt sich um eine oftmals rituell reglementierte soziale Handlung, die kollektive Beziehungen mitgestaltet.