Neuer Ankauf für das Albertinum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden – Doris Ziegler „Aufbruch Straße“ (1988)
12. Dezember 2025Neuer Ankauf
Dank der großzügigen Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und des Freundeskreises der Kulturstiftung der Länder konnte ein wichtiges Werk der Leipziger Malerin Doris Ziegler für das Albertinum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden erworben werden: „Aufbruch Straße“ (1988) wird zukünftig die Sammlungspräsentation bereichern.
Der Ankauf füllt eine signifikante Lücke im Bestand des Albertinum im Bereich der Kunst aus der DDR. Diese gilt es dringlich zu schließen, um die Kunstproduktion in Ostdeutschland zwischen 1949 und 1990 in ihrer Vielfalt angemessen widerspiegeln zu können. Das betrifft insbesondere Werke von Künstlerinnen, die bis in die jüngste Vergangenheit kaum in den Bestand von Museen eingingen.
Doris Ziegler, geboren 1949 in Weimar, studierte von 1969 bis 1974 Malerei an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig, wo sie bis zu ihrer Emeritierung im Jahre 2014 Professorin war. Von 1974 bis 1989 war sie freischaffend in Leipzig tätig, übernahm 1989 zunächst eine Assistenz in der Fachrichtung Malerei an der HGB Leipzig, bevor sie von 1993 an eine Professur im Grundlagenstudium Malerei innehatte.
In Doris Zieglers eindringlichen Selbstporträts und Frauenbildnissen begegnen uns äußerst präzise Stimmungsbilder abseits des in der DDR geförderten positiven sozialistischen Menschenbildes. Mit malerischem Ernst bannt die Künstlerin ihre unmittelbare Umgebung – Alltagsszenen, Straßenzüge, Existenzen – auf die Leinwand und schöpft dabei vor allem aus eigenen Identitätsfragen. Zieglers Gemälde zeigen ungeschönte Darstellungen des Lebens. Obgleich ihre Werke nicht explizit politisch sind, sind sie gleichwohl politisch aufgeladen. Das nun erworbene Werk aus dem Jahre 1988 ist ein Zeugnis des gefühlten Stillstandes in den späten 1980er Jahren und in gewissem Maße auch eine Vorwegnahme der Wendesituation in Leipzig. „Aufbruch Straße“ gehört thematisch in die Serie der „Passagen-Bilder“, bestimmt von Auf- und Umbruch in der Zeit politischer Zweifel. Die vielfältigen Gefühle der Menschen in der DDR wie Unsicherheit und Resignation, Schutzbedürfnis und Gleichgültigkeit, aber auch Aufbegehren und marionettenhaftes Fremdbestimmtsein finden hier ihren Ausdruck. Es ist eine sensible, wenn auch düstere und Ungewissheit zeigende Momentaufnahme.
Die Künstlerin selbst sagte über ihr Werk:
„Es ist eine Utopie: Die damals nicht denkbare Möglichkeit, sich öffentlich gegen den Staat äußern zu können. So, wie man das von vorrevolutionären Situationen aus dem Geschichtsbuch kannte. (…) Dass dieser Traum ein halbes Jahr später Wirklichkeit werden sollte, konnte niemand ahnen (obwohl in den Cafés Wetten darüber abgeschlossen wurden, wie lange sich wohl der Staat noch halten könne …). Die letzten Jahre DDR waren durch das Weggehen der Künstlerfreunde geprägt und die allgemeine Aussichtslosigkeit bedrückend. Die Bilder dieser Zeit, d.h. vor der ‚Großen Passage‘ beschreiben diesen Zustand der Erstarrtheit, das Nicht-von-der-Stelle-Können. Das Bild ‚Aufbruch Straße‘ versucht, die ersehnte Änderung aus dem existentiellen Festgefrorensein, zu formulieren.“
Mit dem Ankauf konnte nun ein Werk der Künstlerin erworben werden, die eine besonders wichtige Position der Leipziger Schule (in der Zweiten Generation) einnimmt. Zu sehen ist das Gemälde im 2. Obergeschoss im Albertinum neben Werken von Wasja Götze, Wolfgang Mattheuer, Christine Schlegel, Hans Ticha, Werner Tübke, Karla Woisnitza, aber auch Ralf Kerbach, Barbara Kruger und Luc Tuymans.
Hilke Wagner, Direktorin des Albertinum:
„Das kulturelle Erbe der DDR für nachfolgende Generationen zu sichern, ist eine geradezu zentrale museale Aufgabe, vor allem in einem für die ostdeutsche Geschichte so wichtigen Museum wie dem Albertinum. Non-konforme und regimekritische Positionen sind immer noch unterrepräsentiert, vor allem von Künstlerinnen. Deshalb freue ich mich ganz besonders, mit einem Bild von Doris Ziegler ein zentrales Werk in die Sammlung aufnehmen zu können.“
Dr. Christine Regus, Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder: „Am Beispiel von Doris Ziegler wird deutlich, wie sehr der Blick von Künstlerinnen und Künstlern dazu beitragen kann, Geschichte greifbar zu machen. ‚Aufbruch Straße‘ steht nicht nur exemplarisch für das kritische Kunstschaffen in der DDR, sondern auch für die künstlerische Zeitzeugenschaft in der Zeit vor der Wende. Für die Erinnerungskultur in Bezug auf die deutsche Teilung ist es essenziell, dass solche Werke, die in deutschen Museen bisher unterrepräsentiert sind, der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Die Förderung ist zudem ein herausragendes Beispiel dafür, wie unser Freundeskreis seit nunmehr einem Vierteljahrhundert die Arbeit der Stiftung ergänzend unterstützt. Dafür bin ich sehr dankbar.“
Carolin Hilker-Möll, Geschäftsführerin des Freundeskreises der Kulturstiftung der Länder: „Ich freue mich sehr, dass wir dank des Engagements unserer Mitglieder als Freundeskreis der Kulturstiftung der Länder dabei mitwirken konnten, dass Doris Zieglers Gemälde ‚Aufbruch Straße‘ dauerhaft in Dresden bleiben kann. Der Ankauf trägt dazu bei, insbesondere das subversive kulturelle Schaffen aus der Zeit der DDR zu würdigen, sichtbarer zu machen und für künftige Generationen zu bewahren.“