Einladung zum Pressegespräch: „Spiegel im Spiegel. Estnische und Deutsche Kunst von Lucas Cranach bis Arvo Pärt und Gerhard Richter“
28. April 2025Einladung zum Pressegespräch „Spiegel im Spiegel. Estnische und Deutsche Kunst von Lucas Cranach bis Arvo Pärt und Gerhard Richter“
Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) und das Estnische Kunstmuseum in Tallinn präsentieren ihr erstes Kooperationsprojekt „Spiegel im Spiegel. Estnische und Deutsche Kunst von Lucas Cranach bis Arvo Pärt und Gerhard Richter“, eine umfassende Ausstellung zu den historischen und kulturellen Beziehungen Estlands und Deutschlands, die vom 8. Mai bis zum 31. August 2025 in der Kunsthalle im Lipsiusbau zu sehen ist. 150 Werke, Gemälde, Grafiken, Objekte, Video- und Klanginstallationen widmen sich vielfältigen Aspekten der über 700-jährigen Geschichte beider Länder. Die Schau umfasst die Zeit vom Mittelalter bis in die Gegenwart und ist in dieser Dimension erstmals in Deutschland zu sehen. Sie wird eröffnet durch den Staatspräsidenten Estlands Alar Karis und den Sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer. Es ist die erste Eröffnung, die Bernd Ebert in seiner Funktion als Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden wahrnimmt.
Anlass ist der 90. Geburtstag des estnischen Komponisten Arvo Pärt am 11. September 2025. Der Titel „Spiegel im Spiegel“ ist einer Komposition Pärts aus dem Jahr 1978 entlehnt. Im Zentrum der Präsentation steht die Freundschaft zwischen dem Komponisten und Gerhard Richter, deren künstlerischer Dialog zum Gestaltungsprinzip wird.
Gerhard Richters „Birkenau-Zyklus“, den er seinem Freund gewidmet hat, begegnet in der Ausstellung Klanginstallationen und originalen Notenblättern Arvo Pärts, die ihrerseits zeichnerische und kalligrafische Kunstwerke sind. Diese Leihgaben des Arvo-Pärt-Zentrums werden zum ersten Mal außerhalb Estlands gezeigt.
Als „Capell Compositeur“ der Sächsischen Staatskapelle setzte sich Arvo Pärt in der Saison 2017/18 intensiv mit den Kunstschätzen der SKD auseinander. Vor allem die Bilder Lucas Cranachs d.Ä. begeisterten den tiefreligiösen Komponisten. Cranachs „Schmerzensmann an der Geißelsäule“ wird als Andachtsbild in einer Kapelle ausgestellt, die eigens für die Ausstellung im Lipsiusbau errichtet wurde.
Insgesamt 12 Dialogräume erzählen estnisch-deutsche Geschichte über historische Parallelen und kulturelle Transfers. Beginnend mit der Christianisierung Estlands durch den Deutschen Orden und die Hanse, die eine Zeit der wirtschaftlichen und kulturellen Blüte einleitete, sowie dem intensiven künstlerischen Austausch zwischen Estland und Sachsen im 18. und 19. Jahrhundert spannt die Schau den Bogen bis in die Gegenwart. Es werden wertvolle Exponate und Kunstwerke aus Estland gezeigt, die bislang noch nicht in Deutschland zu sehen waren.
Der Deutsche Orden und die Hanse prägten im späten Mittelalter die kulturellen, religiösen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den deutschen Staaten und dem Baltikum. Als Mitglied der Hanse wurde die estnische Stadt Tallinn zu einem wichtigen Handels- und Kulturzentrum. Historische Objekte werden zeitgenössischen Positionen wie der von Kristina Norman gegenübergestellt, die sich in ihren Bildern kritisch mit der Geschichte der Hanse und ihrem Einfluss auf Estland auseinandersetzt.
Eine Reihe von Portraits und Selbstportraits veranschaulicht die engen wissenschaftlichen Beziehungen zwischen Dresden und Estland. Die Kariere von Karl und Gerhard von Kügelgen begann im Baltikum. Später wurde Gerhard von Kügelgen Professor an der Dresdner Kunstakademie, wo viele Künstlerinnen und Künstler aus Estland studierten. Das bezeugen Kopien von Gemälden alter Meister.
Ein eigener Dialog ist der Landschaftsmalerei im 19. Jahrhundert gewidmet. Die Ausstellung zeigt, wie der bedeutendste Landschaftsmaler Estlands, August Matthias Hagen, im Geiste Caspar David Friedrichs die Romantik in der Nordischen Natur entdeckte, indem er die Küste des Finnischen Meerbusens sowie Nordlichter malte.
Diese regen wechselseitigen Kontakte setzten sich bis in die 1920er-Jahre fort, als estnische Künstler wie Anton Starkopf und Eduard Wiiralt mit Georg Kind und Otto Dix befreundet waren.
Das Kunstleben im Europa der Jahrhundertwende ist gekennzeichnet von Symbolismus und Dekadenz, die genährt wurden von neureligiöser Suche, Esoterik und körperlicher Befreiung. Deutschbaltische Künstler wie Sascha Schneider und Elisàr von Kupffer (1872–1942) wurden zu Pionieren der homosexuellen Kunst. Elisàr von Kupffer überwand mit seiner Kunst die Geschlechtergrenzen; Sascha Schneider studierte an der Dresdner Akademie und illustrierte Reiseerzählungen und Titel einiger Bücher von Karl May.
Der Erste und Zweite Weltkrieg hinterließen in beiden Ländern tiefe Spuren, die in den gezeigten Werken ihren künstlerischen Ausdruck finden: Olga Terri oder Üllo Sooster offenbaren in ihren Bildern Angst und Schrecken.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Kultur in Estland und der DDR durch strenge Zensurbestimmungen reglementiert. Dennoch gab es eine eigenständige Kunst, in der sich die Hoffnung auf Freiheit und Zukunft ausdrückte. Als Beispiele werden Werke von Aili Vint, Ludmilla Siim, Sirje Runge, Allex Kütt und Uwe Pfeifer gezeigt.
Zeitgenössische Arbeiten reflektieren traditionelle Erzählungen über deren Bedeutung und ihren Einfluss auf die estnische Kultur und erlauben einen neuen Blick auf gewohnte Festlegungen. Im Foyer des Lipsiusbaus steht eine Installation, mit der die estnische Künstlerin Edith Karlson ihr Land 2024 auf der Biennale in Venedig vertreten hat. „Hora Lupi“ (Wolfsstunde) wird zum ersten Mal seit der Biennale außerhalb Estlands gezeigt. Eigens für die Ausstellung schafft der DAAD-Stipendiat Jaanus Samma eine neue Version seiner Serie „Still Lifes on National Motifs“, von 2022. Der estnische Künstler setzt sich mit Werken aus der Porzellansammlung und dem Grünen Gewölbe auseinander und integriert sie in seine Installation.
Bernd Ebert, Generaldirektor der SKD: „Die SKD haben es sich zur Aufgabe gemacht, den Blick auf Ost-, Mittel und Nordeuropa zu richten und mit den wichtigen Museen aus dieser Region zusammenzuarbeiten. `Spiegel im Spiegel´ ist die erste Zusammenarbeit mit dem estnischen Kunstmuseum. Die umfassende kulturelle Begegnung zwischen Estland und Deutschland führt eindrucksvoll vor Augen, wie intensiv und prägend die Beziehungen beider Länder durch die Jahrhunderte waren, eine Prägung, die bis in die Gegenwart reicht. `Spiegel im Spiegel´ verändert unsere Wahrnehmung der gemeinsamen Geschichte und der Kunst.“
Marion Ackermann, designierte Präsidentin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und Kuratorin der Ausstellung: „Eine Reise nach Estland gab den Anstoß zu dieser Zusammenarbeit. Die Ausstellung zeigt eindrucksvoll, wie intensiv der künstlerische und wissenschaftliche Austausch zwischen beiden Ländern war, wie sich Künstlerinnen und Künstler gegenseitig inspiriert haben. Spuren dieser engen Verbindungen finden sich auch heute. Sie werden durch `Spiegel im Spiegel´ mit neuem Leben gefüllt.“
Kadi Polli, Kuratorin der Ausstellung und Direktorin des Estnischen Kunstmuseums KUMU in Tallinn: „Die estnische Kunst könnte viel bekannter sein. Und das gerade in Deutschland, mit dem uns eine jahrhundertelange gemeinsame Geschichte verbindet, die zur Zeit der Kreuzzüge im 13. Jahrhundert begann und unter dem deutschbaltischen Adel und dem russischen Zaren bis Anfang des 20. Jahrhunderts fortdauerte. Wir Kuratoren haben eine Wanderung durch die Geschichte gruppiert – Begegnungen zwischen Künstlerinnen und Künstlern der Romantik, estnischen und deutschen Landschaften, verschiedenen Identitäten, dem Gedächtnis, Traumata und nationalen Selbstspiegelungen, die in vielem zum Verständnis der zeitgenössischen Künstler beiträgt.“
Sergey Fofanov, Kurator der Ausstellung: „Der Ausstellungstitel `Spiegel im Spiegel` verweist auf Arvo Pärts gleichnamige Komposition. Sie basiert auf dem Dialog zwischen zwei Stimmen, die nur in gegenseitiger Harmonie existieren können. Ihre Verbindung symbolisiert das Paradoxon 1+1=1 – die von Pärt vorgeschlagene Formel der Einheit. Nach diesem Prinzip ist auch die Dramaturgie der Ausstellung gestaltet: diese Begegnung zwischen Arvo Pärts Musik und Gerhard Richters Malerei eröffnet Einblicke in die kulturelle Verbundenheit der beiden Länder. Dieser Dialog basiert auf Liebe und der Erkenntnis, dass wir uns nur im Spiegelbild des anderen wirklich erkennen können.“