Einladung zum Pressegespräch „Aus der Reihe tanzen. Aktionskünstlerinnen in der DDR“
09. Mai 2025Mit ihren
Mit ihren Aktionen, Kostümen und Körperinszenierungen grenzten sich non-konforme Künstlerinnen in Erfurt und Dresden von der staatlich geförderten Kunstszene der DDR in den 1980er-Jahren ab, fanden neue Ausdrucksformen und schufen Räume des Widerstands und der Selbstbestimmung. Die Geschichten dieser Frauen und ihrer Kunst werden von den wissenschaftlichen Volontär*innen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) in der Kabinettausstellung „Aus der Reihe tanzen. Aktionskünstlerinnen in der DDR“ (17. Mai bis 31. August 2025) im Albertinum vorgestellt.
Neben künstlerischen Positionen der Künstlerinnengruppe Erfurt und den sogenannten Autoperforationsartisten wird die Zusammenarbeit der Malerin Christine Schlegel und der Tänzerin Fine Kwiatkowski thematisiert. In kurzen, verfilmten Interviews sprechen einige der Künstlerinnen über ihre Gedanken und Erinnerungen an ihre Aktionskunst, mit der sie kollektiv, feministisch und körpernah system- und gesellschaftskritische Themen verarbeiteten – laut oder leise, aber immer aus der Reihe tanzend.
Den Ausgangspunkt der Ausstellung bilden selbstgestaltete Kostüme der Künstlerinnengruppe Erfurt, die als Teil von Mode-Objekt-Shows, Performances und Super-8-Filmen inszeniert wurden: ein Kostüm aus Schafswolle von Gabriele Stötzer, ein „Zeitungskostüm“ von Monika Andres und ein „Antennenkostüm“ von Verena Kyselka, die Seite an Seite mit den Filmen „Komik–komisch“ (1988) und „Signale“ (1989) gezeigt werden. Seit ihrer Gründung 1984 bildete die Künstlerinnengruppe Erfurt ein solidarisches Netzwerk, das trotz wechselnder Besetzungen künstlerisch, freundschaftlich und politisch eng verwoben blieb.
Die Autoperforationsartisten, vier Studentinnen und Studenten der Hochschule für bildende Künste Dresden, fanden 1982 zusammen. Die selbstgewählte Bezeichnung verweist auf das Prinzip radikaler Selbstbestimmung und -durchdringung, das die Künstlerin Else Gabriel für ihre Fotografie „Der Daumen der Strafe“ (1986/1999) sogar wörtlich nahm, indem sie die Haut ihres Daumens mit Nadeln löcherte. In experimentellen, poetisch aufgeladenen Performances verschmolz eine drastische, manchmal auch humorvolle oder ironische Bildsprache mit den grotesken, provokativen Themen des Kollektivs. Als zusätzliche weibliche Position wird ein „Müllkostüm“ von Hanne Wandtke gezeigt, die wegen ihrer Funktion als Dozentin an der damaligen Palucca Schule Dresden nur verdeckt an den Aktionen der Autoperforationsartisten teilnehmen konnte.
Die künstlerische Verbindung von Christine Schlegel und Fine Kwiatkowski kam unter anderem in performativen Arbeiten und experimentellen Filmen zum Ausdruck. Darin dekonstruierten die Frauen traditionelle Rollenbilder und vereinten innovative Bildstrategien mit expressiver Körperbewegung.
Durch ihre Auseinandersetzung mit demokratischen Werten wie Kunst- und Meinungsfreiheit, Solidarität und Gerechtigkeit ist die Kabinettausstellung hochaktuell. Die Objekte, Archivmaterialien und Filme aus dem Albertinum, dem Archiv der Avantgarden – Egidio Marzona, dem Kunstfonds sowie den privaten Archiven der Künstlerinnen erzählen dabei nicht nur von den Frauen, ihren unterschiedlichen Ästhetiken und inhaltlichen Schwerpunkten. Sie erzählen auch von den spezifischen historischen Bedingungen in der DDR, unter denen sie ihre Performancekunst schufen: von der Ausgestaltung individueller Ausdrucksräume, vom kreativen Umgang mit Materialien, von bewussten wie unbewussten Grenzüberschreitungen, der Tendenz zur Maskerade, aber auch von der Kraft von Gruppendynamiken und gemeinschaftlichen Aktionen.