Unter einem Himmel - von Mustern und anderen Wesen. Intervention in der Ausstellung „Dialog unter Gästen"
23. April 2024Unter einem Himmel
Das Museum für Völkerkunde Dresden, als Einrichtung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, präsentiert im Japanischen Palais die Ausstellung „Dialog unter Gästen – Das Damaskuszimmer in Dresden lädt ein“. Die Präsentation fragt nach Möglichkeiten und Bedingungen von Gastfreundschaft und ist als offener Prozess der Vielstimmigkeit angelegt. In diesem Rahmen hat das Museum die Teilnehmenden des Studiengangs „Kulturen des Kuratorischen“ an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig zum Dialog und zur Weiterentwicklung der bestehenden Dauerausstellung eingeladen.
Mit der Intervention „Unter einem Himmel – von Mustern und anderen Wesen” kommentieren die Studierenden die aktuelle Präsentation des Damaskuszimmers aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Die reich verzierte Holzvertäfelung eines Damaszener Wohnhauses ist Trägerin sichtbarer und unsichtbarer Spuren von Geschichte(n). Es gibt offensichtliche Muster, wie die kunstvollen Ornamente der bemalten Innenwände. Gleichzeitig können implizite Muster des Zeigens, Deutens und Vermittelns erkannt werden. Die von den Studierenden kuratierte Intervention möchte durch die Auseinandersetzung mit zeitgenössischen künstlerischen Positionen die im Damaskuszimmer bestehenden Muster von Repräsentationsmechanismen und Machtstrukturen durchbrechen, innehalten und neue Wege im Denken, Deuten und Kommunizieren einschlagen. Dabei steht die Suche nach anderen Perspektiven und zukünftigen Formen des gemeinschaftlichen Zusammenlebens im Zentrum. So eröffnen bereits die am Eingang verteilten Instruktionen verschiedene und persönliche Wahrnehmungsweisen für einen Besuch des Damaskuszimmers.
Der Raum wird für zeitgenössische künstlerische Auseinandersetzungen und Gespräche geöffnet und präsentiert Sound-, Video- und installative Arbeiten, die sich mit Architekturen, Infrastrukturen, Erinnerung und Identitäten beschäftigen.
Die intervenierenden Arbeiten in der Ausstellung verändern den Blick auf das Vorhandene und nehmen Architekturen, Infrastrukturen und die Frage von Erinnerung und Identität in den Blick. Die Klanginstallation von Fronte Violeta & Martha Kiss Perrone im Treppenhaus zieht schon beim Betreten des Raumes die Aufmerksamkeit auf sich. Die Künstlerinnen arbeiten mit dem Klang als einer immateriellen Infrastruktur, die auf Wiederholungen und Mustern basiert. Neben einer Reihe bereits vorhandener Fotoporträts wird das Video des Haneen Choir, eines syrischen Frauenkollektivs, das am Internationalen Frauentag (8. März) gemeinsam singt, auf eine Weise in Szene gesetzt, dass Resonanz entsteht und mehrere Perspektiven auf die syrische Lebenswirklichkeit möglich werden. Qusay Awad interagiert durch seine Installation mit dem Raum. Er schafft multisensorische narrative Erfahrungen und entdeckt Themen wie Erinnerung, Identität und Verdrängung. Seine Intervention versteht sich als work in progress und wird im Laufe der Zeit entwickelt. Ein weiterer Teil seiner Intervention wird Ende Mai Teil der Ausstellung werden. Esraa Dayrwan liest Passagen der Damaszener Autorin Ghada Al Samman, die über die Befreiungskämpfe der Frauen reflektieren, und stellt Bilder von Künstlern und Schriftstellern denen von anonymen Frauen gegenüber. Die Videodokumentation eines Performance-Rituals von Nagham Hammoush konzentriert sich auf die mesopotamische Gottheit der Liebe, des Krieges und der Fruchtbarkeit – Ishtar. Ossama Shalgheen präsentiert eine queere Herangehensweise an weibliche Sozialnormen in Südostasien und bietet eine neue Perspektive auf die traditionelle Auffassung von Geschlechterrollen. In der Videoarbeit von Zina Dayoub – einem abstrakten Auszug aus ihren Tagträumen – kristallisieren sich körperliche Beziehungen zu Raum und Gedächtnis heraus. Vertreibung und Prekarität sind auch die Schlüsselthemen der Installation von KIM/ILLI, die bewusst in den Vitrinen des ethnographischen Museums platziert ist. Ihre Position, die sich mit der Ausbeutung von Arbeitskräften, Bürokratie und dem undokumentierten Status von Menschen befasst, kann als Vorschlag gelesen werden, den Macher*innen der Holztafeln des Damaskuszimmers Namen zu geben und ihren anonymen Status zu hinterfragen. „International Cloud Archive Vol. 1” von Mirjam Kroker fängt die flüchtigen Muster des Himmels ein. Kroker archiviert flüchtige Wolken, ohne ein traditionelles Klassifizierungssystem zu verwenden und Krokers Arbeit „Where does hospitality take place?” schlägt vor, Gastfreundschaft im aktuellen Kontext der Polykrise neu zu verhandeln: Kann der Himmel, gedacht als grenzenloses gemeinsames Ganzes, neue Impulse ins Museum bringen? Und welche Wesen, also mitwirkende Kräfte wie Menschen und Dinge, gilt es dafür zu berücksichtigen?
Künstler*innen: Qusay Awad, Zeina Dayoub, Esraa Dayrwan, Nagham Hammoush, Haneen Choir, KIM/ILLI, Mirjam Kroker, Ossama Shalgheen, Fronte Violeta & Martha Kiss Perrone
Kurator*innen: Alem Kolbus, Alexandra Trost, Amelie Lill, Ammar Hatem, Anastasia Shestak, Clarissa Aidar Oliveira, Elena Grimbs, Hanna Gebert, Helene Otto, Iana Gaponenko, Juness Beshir, Miriam Trostorf, Raphael Bruning, Rebekka Rinner, Theresa Weber, Ulrike Riebel, Victoria Langmann
Das Projekt ist eine Kooperation der Hochschule für Grafik und Buchkunst mit den Ethnographischen Sammlungen Sachsen und der American University of Beirut, gefördert vom Deutschen Akademischen Austauschdienst. Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
Öffnungszeiten: täglich 10 bis 18 Uhr, Montag geschlossen