Einladung zum Pressegespräch "Welten bauen. Visionäre Architektur im 20. Jahrhundert"
05. November 2024Die Sammlungspräsentation
In seiner zweiten Ausstellung nach dem Einzug in das neu gestaltete Blockhaus widmet das Archiv der Avantgarden – Egidio Marzona (ADA) ab dem 16. November 2024 visionären Architekturkonzepten, Gebäudeutopien und -dystopien des 20. Jahrhunderts eine umfassende Präsentation. In diesen Jahrzehnten sahen sich Architekt*innen dazu angehalten, auf zahlreiche Krisensituationen und globale Ereignisse zu reagieren. Etwa 200 Exponate, darunter Zeichnungen, Modelle, Objekte und Publikationen erzählen von einem hoffnungsvollen Fortschrittsglauben oder mahnenden Skeptizismus für das Leben in der Zukunft. Mit Blick auf die heutigen gesellschaftlichen Herausforderungen scheinen diese Vorstellungen von der Welt von damals aktueller denn je.
Die Sammlungspräsentation im Zentrum des Ausstellungsbereiches stellt zehn Positionen vor, darunter einzelne Architekt*innen als auch Kollektive und lose Gruppierungen. Zu Beginn stehen Visionen des frühen 20. Jahrhunderts von Paul Scheerbart (1863-1915) und Bruno Taut (1880-1938), in denen die Natur und der Kosmos in die Architektur einfließende Aspekte sind. Konzepte von Richard Buckminster Fuller (1895-1983) wie die mobilen Kuppelbauten und der damit verbundenen Mahnung zum verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen leiten über zu Positionen der Nachkriegszeit. Im Zuge der Fortschrittseuphorie der 1960er- und 1970er-Jahre, mit der Mondlandung und der Ölkrise als zeitgeschichtlichen Zäsuren, entstehen in dieser Zeit im Umfeld der italienischen „Architettura Radicale“ utopische und dystopische Lebensentwürfe gleichermaßen. Das Spektrum ist breit: Ironische Positionen wie von Ettore Sottsass (1917-2007) oder der Künstlergruppen Haus-Rucker-Co und Coop Himmelb(l)au finden sich neben Entwürfen von Superstudio und Raimund Abraham (1933-2010), in denen sich kosmische Fantasien mit archaischen Bauformen verbinden. Mit Leonardo Mosso (1926-2020) wird ein Akteur vorgestellt, in dessen Werk die Auseinandersetzung mit der Kybernetik zu einer radikal reduzierten Formensprache findet. Das Wissen um die Fragilität der Ökosysteme resultiert in Konzepten einer alternativen Architektur. Die Neugier nach neuen Materialien und Formen weicht einer grundlegenden Skepsis gegenüber dem herkömmlichen Bauen und den Auswirkungen des modernen Städtebaus, wodurch bescheidenere Visionen und die Forderung nach Wertschätzung von regionalen Kulturen und Wissen erwachsen. Welcher Dimension bedürfen die Lösungsansätze für die Probleme der Gegenwart? Wer gestaltet die Zukunft? Lassen sich Krisen mit technischen Mitteln bewältigen? Oder hilft nur Bescheidenheit und Verzicht?
Aus der Sammlungspräsentation heraustretend, folgen mit den Künstler*innen-Duos Hristina Ivanoska & Yane Calovsky und WIRKUSPRIES zwei zeitgenössische Positionen, die sich in künstlerischen Beiträgen mit dem architektonischen Vermächtnis zweier Frauen auseinandersetzen: Iskra Grabul (1936-2008) und Helena Syrkus (1900-1982). Hier entsteht der „Diskursive Raum“, in dem über die Ausstellungsdauer verschiedene Veranstaltungen stattfinden. Während Ivanoska und Calovsky ihre Installation „Makedonium“ über die gesamte Laufzeit zeigen, begleitet der Tänzer und Choreograph Nitsan Margaliot mit seiner Performance „Longing to Suspend“ das Eröffnungswochenende. Vom 19. November 2024 bis zum 12. Januar 2025 folgt die Installation „We are Millenium Stars“ von WIRKUSPRIES, die von zwei Lesungen gerahmt wird. Anschließend verändert sich der „Diskursive Raum“ erneut, um Platz für Vorträge, Gespräche und gemeinsames Arbeiten zu schaffen. Beiträge und Workshops erforschen die Positionen weiblicher Architekt*innen des 20. Jahrhunderts, die in der männlich dominierten Kunst- und Kulturrezeption bislang kaum Platz gefunden haben.
Im Spektrum der gesamten Ausstellung gesehen verweist der Titel „Welten bauen“ nicht nur auf die zahlreichen, hauptsächlich unvollendeten Projekte visionärer Architekt*innen des 20. Jahrhunderts, sondern auch auf die Tätigkeit der Gestaltung und Konstruktion sämtlicher Bereiche des gesellschaftlichen Lebens – Architektur, Fotografie, Video, Tanz und Schreiben als gleichwertige, konstruierende Tätigkeiten.
Das ADA beteiligt sich aktuell in Rahmen einer Kooperation mit der Neuen Nationalgalerie und der Kunstbibliothek – Staatliche Museen zu Berlin an der Ausstellung „The Very First Edition – Künstler*innenbücher aus der Sammlung Marzona“ (27.10.2024 – 26.01.2025). Zudem sind zahlreiche Leihgaben in der Ausstellung „Aber hier leben? Nein danke. Surrealismus + Antifaschismus“ (15.10.2024 – 02.03.2025) im Lenbachhaus München vertreten.
Öffnungszeiten Sonderausstellung:
Dienstag bis Freitag: 15 bis 21 Uhr
Samstag und Sonntag: 11 bis 19 Uhr
Öffnungszeiten wissenschaftliche Recherche:
Dienstag bis Freitag: 9 bis 15 Uhr (nur nach Voranmeldung unter ada.archiv@skd.museum)
Eintrittspreise:
5 Euro, ermäßigt 4 Euro, alle Schüler*innen und Studierende frei