Einladung zum Pressegespräch „Battleground Studio: Adrian Ghenie – Arbeiten auf Papier“ und „Weiße Pferde und Schützengräben. Expressionisten neu gesammelt“
04. Dezember 2024Adrian Ghenie & Expressionisten
Das Kupferstich-Kabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) zeigt zum Jahresende in seinen Räumen zwei Ausstellungen, die für sich selbst stehen, aber über verschiedene Aspekte der Moderne wie die künstlerische Avantgarde und den Krieg überraschende Berührungspunkte haben.
Battleground Studio: Adrian Ghenie – Arbeiten auf Papier
Adrian Ghenie (*1977 in Baia Mare, Rumänien) zählt zu den populärsten Künstlern seiner Generation. Sein Interesse gilt den Ideologien und Katastrophen des 20. Jahrhunderts, das der Künstler selbst als Epoche der „Demütigung“ bezeichnet. Das Kupferstich-Kabinett widmet ab dem 13. Dezember 2024 seinen Zeichnungen und Collagen der letzten 20 Jahre eine Einzelausstellung. Die Schau zeigt rund 50 Werke, die einen umfassenden Überblick über sein Œuvre geben. Einige ausgewählte Gemälde werden den Arbeiten auf Papier gegenübergestellt.
Im düsteren Setting seiner Bilder, deren Motive häufig der Kunstgeschichte entstammen, spiegeln die deformierten Figuren in überraschenden Konstellationen die körperlichen und psychischen Verletzungen durch Diktaturen und Kriege sowie die Bedrohung individueller Freiheit wider. Ghenie ist in erster Linie Maler, gleichwohl nehmen die Zeichnungen und Collagen mittlerweile eine zentrale Rolle in seinem Werk ein und werden deshalb vom Dresdner Kupferstich-Kabinett erstmals in ihrer gesamten Entwicklung und Bedeutung vorgestellt. Die entstellten Gesichter auf den sogenannten „Tortenschlacht-Bildern“ sind ikonische Metaphern für menschliche Erniedrigung und die Auslöschung individueller Identität. Die figürliche Verfremdung, die unter anderem an Francis Bacon und Willem de Kooning orientiert ist, wendet Ghenie auch in seinen Collagen an. In vielen Fällen stellen diese die Grundlage für seine Gemälde dar. In den Kohlezeichnungen der letzten Jahre führt Ghenie sein Thema in die Gegenwart, indem er für die Auswirkungen der omnipräsenten digitalen Medien auf den Menschen düstere und drastische, aber auch ironische Motive findet.
Speziell für die Ausstellung in Dresden hat sich Adrian Ghenie aus dem Sammlungsbestand des Kupferstich-Kabinetts durch die Zeichnung eines „Kriegsverletzten“ von Otto Dix zu einer Gruppe von sieben großformatigen Kohlearbeiten inspirieren lassen. Jedes der Werke trägt den Titel „The Veteran“, die nach Ende der Ausstellung als Geschenk des Künstlers in der Sammlung des Kupferstich-Kabinetts verbleiben. Die Collage „Study for ‚Darwin and the Satyr‘“ von 2014 konnte bereits im Vorfeld der Ausstellung vom Verein MUSEIS SAXONICIS USUI – Freunde der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden e. V. für die Sammlung des Kupferstich-Kabinetts angekauft werden.
Zur Ausstellung „Battleground Studio: Adrian Ghenie – Arbeiten auf Papier“ erscheint im Januar 2025 ein reich bebilderter Katalog in englischer und deutscher Sprache mit Beiträgen von Björn Egging, Jan-Markus Göttsch und Holger Liebs im Hatje-Cantz Verlag, Berlin, 144 Seiten. Preis: 40 Euro, ISBN: 978-3-7757-5917-5.
Weiße Pferde und Schützengräben. Expressionisten neu gesammelt
Seit 2018 beherbergt das Kupferstich-Kabinett die Stiftung Dr. Kurt und Annelore Schulze († 2004 und 2023). In der Sammlung des Hamburger Ehepaars sind drei Künstler mit Dresden-Bezug besonders prominent vertreten: Karl Schmidt-Rottluff (1884 –1976) und Erich Heckel (1883–1970) gehörten der Dresdner Künstlergemeinschaft „Brücke“ an, Otto Dix (1891–1969) war Gründungsmitglied der „Dresdner Sezession Gruppe 1919“ und von 1927 bis 1933 Professor an der Dresdner Kunstakademie.
Die Schau im Kupferstich-Kabinett präsentiert Highlights dieser drei Künstler im Dialog mit expressionistischen Werken aus dem eigenem Bestand. Das Spektrum an Themen reicht dabei von den utopisch gestimmten Anfängen der Bewegung – für die sinnbildlich Heckels „Weiße Pferde“ stehen können – bis hin zu den traumatischen Erlebnissen des Ersten Weltkriegs, wie sie Dix' Skizzen von Kriegsverletzten und Schützengräben in schonungsloser Drastik vor Augen führen.
Nicht zuletzt spiegeln die Werk-Dialoge auch die Dezimierung des Dresdner Sammlungsbestands im Zweiten Weltkrieg. Allein im Kupferstich-Kabinett wurden im Zuge der NS-Aktion „Entartete Kunst“ 381 Blätter beschlagnahmt – darunter vor allem expressionistische Werke, die nahezu alle als verloren gelten. Es ist dem Einsatz zahlreicher Institutionen und Museumsmitarbeitenden sowie dem Engagement privater Sammler*innen und Unterstützer*innen zu verdanken, dass seit 1945 ein neuer Bestand an expressionistischen Blättern aufgebaut werden konnte, mit dem die Neuzugänge der Stiftung Schulze nun zusammenklingen.
Die Schau umfasst rund 30 Exponate. In den Werkdialogen begegnen neben den Arbeiten von Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und Otto Dix weiterhin Blätter von Ernst Ludwig Kirchner, Franz Marc, Conrad Felixmüller und Christoph Voll.