Der Freistaat Sachsen gibt menschliche Überreste aus dem Museum für Völkerkunde Dresden an Neuseeland und die Chatham Inseln zurück

23. Mai 2023

MI

Im Rahmen einer feierlichen Zeremonie im GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig fand heute eine Repatriierung menschlicher Überreste statt. Die Ahnen, die sich im Besitz der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen (SES) befanden, wurden an eine Delegation der Herkunftsgemeinschaften der Māori (Neuseeland) und Moriori (Chatham Inseln) zurückgegeben.

 

Inhalt der Rückgabe sind menschliche Überreste (Knochen, Haarproben) von 64 Personen. Erstmalig im Hinblick auf die Rückführungen durch die SES werden zudem Gipsabgüsse von acht Māori repatriiert. Diese werden von der Herkunftsgemeinschaft als iwi tūpuna, Ahnen der Gemeinschaft, verstanden und daher ebenso wie Knochen und Haarproben repatriiert. Sachsen gibt erstmals auch eine Grabbeigabe zurück: eine hölzerne Keule, die zusammen mit drei Individuen einem Grab entnommen wurde.

 

Die Repatriierung indigener Vorfahren ist ein wichtiger Teil der Dekolonialisierung der ethnologischen Museen Sachsens. Die enge Zusammenarbeit mit Vertreter*innen des Museums Te Papa Tongarewa in Aotearoa (Neuseeland) sowie mit politischen Entscheidungsträger*innen beider Länder ist ein zentraler Bestandteil der Repatriierung. In Anbetracht kolonialer Vergehen ist die Rückkehr der indigenen Vorfahren von besonderer Bedeutung für den Prozess der Versöhnung.

 

Die menschlichen Gebeine stammen aus Grabplünderungen sowie von Opfern gewaltsamer Auseinandersetzungen. Sie gelangten zwischen 1870 und 1905 als Kauf oder Schenkung an das Königlich Zoologische und Anthropologisch-Ethnographische Museum, beziehungsweise an seine Nachfolgeinstitution, das Museum für Völkerkunde Dresden (MVD). Dieses ist heute Teil der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen, die zu den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) gehören.

 

Seit 2003 verfolgt die neuseeländische Regierung das Ziel einer Repatriierung von kōiwi tangata/kōimi t´chakat (sterbliche Überreste der Ahnen) der Māori und Moriori. 2019 fanden in Dresden Gespräche zwischen Repräsentanten des Karanga Aotearoa Repatriation Programme, der Botschaft Neuseelands in Berlin und Vertreter*innen der SKD sowie des Freistaats Sachsen statt. Die Beteiligten vereinbarten, die Provenienzforschung zu den menschlichen Überresten gemeinsam zu intensivieren und eine Rückgabe an das Herkunftsland Aotearoa (Neuseeland) und Rēkohu (Chatham Inseln) vorzubereiten.

 

Die Repatriierung im GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig ist Teil einer deutschlandweiten Reihe von Repatriierungen nach Neuseeland, die im Mai und Juni 2023 stattfinden. Beteiligt sind unter anderem das Linden-Museum Stuttgart, das Naturkundemuseum Stuttgart, das Roemer- und Pelizaeus Museum Hildesheim, das Reiss-Engelhorn-Museum Mannheim und die Universitätssammlung Göttingen.

 

S.E. Craig Hawke, Neuseeländischer Botschafter in Deutschland:

„Diese Repatriierung ist ein ergreifendes Beispiel unserer partnerschaftlichen Zusammenarbeit. Wir feiern zugleich 70 Jahre diplomatischer Beziehungen zwischen Aotearoa Neuseeland und Deutschland. Dabei demonstrieren diese nun stattfindenden Repatriierungen, wie reif und eng das Verhältnis unserer beiden Länder ist. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden haben sowohl bedeutsamen Respekt und Verständnis gegenüber Aotearoa Neuseeland, den Māori und Moriori bewiesen, als auch die Bereitschaft, zu lernen.“

 

Arapata Hakiwai, Te Papa’s Kaihautū (Māori co-leader):

„Es ist eine Ehre, unsere Vorfahren nach Hause zurückzubringen und sie wieder mit ihren Nachfahren verbinden zu können. Diese Repatriierung ist das Ergebnis einer Übereinkunft, die 2019 von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, den Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen und dem Karanga Aotearoa Repatriation Programme unterzeichnet wurde. Es ist herzerwärmend zu erleben, wie diese Beziehung zur Heimkehr von Ahnen führen kann.”

 

Te Herekiekie Haerehuka Herewini, Head of Repatriation, Museum of New Zealand Te Papa Tongarewa | Karanga Aotearoa:

„Wie freuen uns darüber, dass wir mit unseren Kollegen in Deutschland zusammenarbeiten können, um die sichere Heimkehr der Ahnen zu ihren iwi/imi (Stämmen) zu ermöglichen. Repatriierung bietet einen Weg zur Versöhnung. Das aufrichtige Engagement des Museums für die Repatriierung indigener Gebeine erlaubt es unserem Land, eine sehr dunkle Periode unserer Geschichte aufzuklären.”

 

Katja Keul, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:

„Die Aufarbeitung der Kolonialzeit ist eine zentrale Aufgabe, der wir uns gemeinsam als Gesellschaft stellen müssen. Die Rückgabe menschlicher Gebeine ist dabei eine Priorität, auch für die Bundesregierung. Ich freue mich sehr, dass durch den gemeinsamen Einsatz des Te Papa Museums in Neuseeland, der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen als eine Einrichtung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und der Landesregierung von Sachsen nun die menschlichen Gebeine der Māori und Moriori in ihre Heimat zurückkehren und dort würdig bestattet werden können“.

 

Barbara Klepsch, Sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus:

„Die heutige Rückgabe von Ahnen der Māori und Moriori ist ein wichtiger Schritt in der Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe der Sammlungen des Freistaats Sachsen. Die dazu notwendigen Provenienzforschungen und die enge Kooperation mit dem Neuseeländischen Nationalmuseum, Te Papa Tongarewa, haben dazu beigetragen, koloniale Geschichte und individuelle Geschichte in einen lebendigen globalen Kontext zu stellen. Sie bereichern unser Wissen und machen die sächsischen Völkerkundemuseen zu lebendigen Orten von Wissenschaft, Bildung und internationaler Zusammenarbeit. Die Rückgabe zeigt die Entschlossenheit des Freistaats Sachsen, Versöhnung und transkulturelle Verständigung aktiv umzusetzen.“

 

Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden:

„Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden betrachten die in der anthropologischen Sammlung vorhandenen menschlichen Gebeine nicht mehr als wissenschaftliche Objekte und Sammlungsstücke, sondern als das, was sie ursprünglich waren und noch sind: sterbliche Überreste von Menschen. Ihr Tod und das Verschwinden ihrer menschlichen Überreste verursachte in ihrer Heimat schmerzliche und nicht heilbare Lücken: in emotionaler, religiöser, spiritueller und historischer Weise. Wir sprechen heute von kōiwi tangata und kōimi t´chakat (sterbliche Überreste der Ahnen), denen Würde und Respekt gebührt und die wir nun an die Vertreter der Herkunftsgemeinschaften zurückgeben.“

 

Léontine Meijer-van Mensch, Direktorin der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen:

„Diese öffentliche Rückgabe ist bereits die fünfte Repatriierung von sterblichen Überresten indigener Ahnen in ihre Herkunftsgemeinschaften und Heimatländer. Die Nachfahren der Verstorbenen im Museum begrüßen zu dürfen, erlaubt uns, einen Prozess der Versöhnung und Heilung mitzugestalten. Unser Ziel ist es, in enger Abstimmung und Zusammenarbeit mit den Herkunftsgemeinschaften, die menschlichen Überreste aus den Sammlungen zu repatriieren.“

 

Pressebilder und -dossiers

"Raum der Erinnerung" in der Dauerausstellung
© GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Tom Dachs
"Raum der Erinnerung" in der Dauerausstellung
© GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Tom Dachs
Gruppenbild vor einer Orgel
Repatriierung menschlicher Überreste an Neuseeland und die Chatham Inseln am 23.05.2023 © Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Tom Dachs
Übergabe von Kartons
Repatriierung menschlicher Überreste an Neuseeland und die Chatham Inseln am 23.05.2023 © Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Tom Dachs
eine Frau unterzeichnet ein Schriftstück
Repatriierung menschlicher Überreste an Neuseeland und die Chatham Inseln am 23.05.2023 © Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Tom Dachs
zwei Menschen halten ein schwarzes Stück Stoff
Repatriierung menschlicher Überreste an Neuseeland und die Chatham Inseln am 23.05.2023 © Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Tom Dachs
mehrere Personen vor einer Orgel, einer trägt einen Karton
Repatriierung menschlicher Überreste an Neuseeland und die Chatham Inseln am 23.05.2023 © Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Tom Dachs
* Pflichtfeld
Zum Seitenanfang