Das berühmteste Tutu der Welt: Restaurierung der „Kleinen vierzehnjährigen Tänzerin“ von Edgar Degas

31. Juli 2023

Das berühmteste Tutu der Welt: Restaurierung der „Kleinen vierzehnjährigen Tänzerin“ von Edgar Degas

Nach umfassender Restaurierung wird die „Kleine vierzehnjährige Tänzerin“ (um 1880) von Edgar Degas ab Dienstag, 8. August 2023 wieder im Albertinum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) zu sehen sein. Edgar Degas‘ Tänzerin zählt zu den Ikonen der Kunstgeschichte und ihr Ballettröckchen ist ohne Frage das berühmteste Tutu der Welt. Dieses wurde neben der Reinigung, Konservierung und Retusche von Fehlstellen der Skulptur erneuert.

Seit Jahrzehnten stand die „Kleine vierzehnjährige Tänzerin“ in der Dauerausstellung im Albertinum. Mit der Zeit war ihre metallische Oberfläche matt geworden und einzelne Korrosionsspuren traten – besonders im Gesicht – deutlich hervor. Die temporäre Umgestaltung des Ausstellungsraumes bot die Gelegenheit, die Figur in der Restaurierungswerkstatt der Skulpturensammlung der SKD genau unter die Lupe zu nehmen.

Im Zuge der Erfassung der Schäden erfolgten zeitgleich kunsttechnologische Untersuchungen, um bestimmten Fragestellungen zu Herstellungstechniken und den Werkstoffen nachzugehen. Dafür wurde die Skulptur auch fotogrammetrisch erfasst und ein 3D-Modell erstellt. Die Untersuchung der Metallzusammensetzung durch die sogenannte Röntgenfluoreszenzanalyse (XRF) offenbarte beispielsweise, dass es sich bei dem verwendeten Material um Messing und nicht um Bronze handelt. In Zusammenarbeit mit dem Archäometrischen Labor der Hochschule für Bildende Künste Dresden (HfBK) erfolgten weitere Materialanalysen, um vor allem den Ursachen für die rätselhaften Schäden auf der Metalloberfläche und der Bemalung des Mieders auf die Spur zu kommen. Außerdem hat das Tutu durch den Zerfall seines Materials das darunterliegende Metall angegriffen. Der Ersatz für das vermutlich im Zweiten Weltkrieg verloren gegangene originale Tutu wurde in den 1960er-Jahren aus Polyamid-Fasern (in der DDR als „Dederon“ bezeichnet) hergestellt.

Während der Restaurierung wurden durch eine behutsame Oberflächenreinigung der Grauschleier von der Skulptur entfernt, Korrosionsspuren reduziert und abschließend die gesamte metallische Oberfläche mit einem Schutzüberzug aus mikrokristallinem Wachs konserviert. Die vielen dunklen Fehlstellen am bemalten Mieder konnten durch Retuschen mit reversiblen Spezialfarben abgedeckt werden.

Als letzte, aber offensichtlichste Restaurierungsmaßnahme erfolgte der Austausch des alten schädigenden Tutus. Die Neuanfertigung, handgenäht von der Textilrestauratorin Karen Klingbiel, stellte in jeder Hinsicht eine Herausforderung für alle Beteiligten dar. Die bekannten Metallgüsse der „Kleinen vierzehnjährigen Tänzerin“ tragen über die Jahre mehrfach ausgetauschte und sehr unterschiedliche Tutus. Deren jeweilige Ausführung ist zumeist dem desolaten Zustand des Wachsmodells nach Auffindung in Degas‘ Atelier nachempfunden. Damals war das einst wohl weiße Röckchen stark verschmutzt und so beschädigt, dass auch die ursprüngliche Länge und Form erheblich beeinträchtigt war. Da das tatsächliche Aussehen des originalen Tutus nicht überliefert ist, spiegeln die weltweit anzutreffenden Variationen die Bandbreite des sich stetig wechselnden Zeitgeschmacks und der unterschiedlichen ästhetischen Vorstellungen wider – von langen, kurzen und schlapp herabhängenden Tutus, Satin- und Tulpenröcken bis gestuften Röcken in beinahe schwarz bis strahlend weiß.

Letztendlich gibt es keine Vorgabe für die „richtige“ Form, Farbe und Länge der Neuanfertigungen. Um sich Degas anzunähern, wurden weitere Darstellungen von Balletttänzerinnen aus seinem Œuvre herangezogen. Dabei wurde deutlich, dass das bisherige Tutu den zeichnerischen und malerischen Vorstellungen des Künstlers nicht entsprach. Das neue Tutu ist nun länger als das vorherige und stimmt annähernd mit dem überein, was der Künstler in seinen Zeichnungen und Gemälden festhielt. Es passt sich außerdem in seiner Farbigkeit der dunklen Patina des Körpers und dem Rosaton des Mieders an. Ziel war es, ein harmonisches Gesamtbild zu schaffen, in dem sich die verschiedenen Materialien zusammenfügen und sich die große künstlerische Qualität der Skulptur entfalten kann.

Der Maler Edgar Degas (1834–1917) war als Bildhauer Autodidakt. Sein wohl bekanntestes plastisches Werk „Kleine vierzehnjährige Tänzerin ist gleichzeitig die einzige Skulptur, die er zu seinen Lebzeiten öffentlich ausgestellt hat. Durch ihren Realismus löste das Kunstwerk bei seiner einzigen Präsentation 1881 einen Skandal aus, als es für einen Tag auf der sechsten Pariser „Ausstellung der Impressionisten“ gezeigt wurde. Degas hatte „die Tänzerin“ als Wachsfigur gefertigt und mit realen Attributen wie dem Ballettröckchen, einem echtem Haarzopf und Ballettschuhen versehen. Dieses Original befindet sich heute in der National Gallery of Art in Washington. Aufsehen erregten die verwendeten Materialien, die man bisher nur aus Wachsfigurenkabinetten kannte. Zudem warfen Kritiker dem Künstler vor, er habe seiner Tänzerin die gewöhnlichen Züge eines Arbeiterkindes gegeben, die als hässlich, vulgär und letztlich aufreizend empfunden wurden. Auf diese Weise brach Degas in zweierlei Hinsicht mit bestehenden Konventionen. Die Kritik an seinem Werk führte dazu, dass er zeit seines Lebens keine Skulptur mehr ausstellte.

Die „Kleine vierzehnjährige Tänzerin“ in Dresden ist eine von weltweit 30 bekannten Metallgüssen, die ab 1921 – also erst nach dem Tod des Künstlers – hergestellt wurden. Bei diesen posthumen Ausführungen wurden Mieder- und Ballettschuhe rosa- und gelbfarbig bemalt und die Skulpturen erhielten ein textiles Tutu sowie ein Haarband. Der Dresdner Guss wurde 1926 auf der Internationalen Kunstausstellung in Dresden gezeigt und von der berühmten Galerie Flechtheim für die Kunstsammlungen erworben.

Die Erneuerung des Tutus wurde ermöglicht durch die finanzielle Unterstützung von PARAGONE DRESDEN e.V., dem Freundeskreis der Skulpturensammlung vor und nach 1800.

 

Projektbeteiligte:

Stephanie Exner, SKD, Leiterin der Restaurierungswerkstatt der Skulpturensammlung

Irene Pamer-Gatzsche, SKD, Metallrestauratorin

Karen Klingbiel, Textilrestauratorin

Astrid Nielsen, SKD, Konservatorin Albertinum, Skulpturensammlung ab 1800

Michael Mäder, SKD, Abteilung Forschung

Annegret Fuhrmann, HfBK Dresden, Labor für Archäometrie

Hilke Wagner, Direktorin Albertinum

 

Für die Berichterstattung werden auf Nachfrage individuelle Termine angeboten. Hierfür bitten wir um Anmeldung über presse@skd.museum oder +49(0)351 4914 2643.

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