Tattoo und Piercing – Die Welt unter der Haut
11. September 2017Tattoo und Piercing – Die Welt unter der Haut
„Grassi invites #4“ geht unter die Haut. In Tattoo und Piercing – Die Welt unter der Haut. Teil 1: Showtime! waren Besucherinnen und Besucher eingeladen, ihre Tattoos und Piercings in einem temporären Fotostudio ablichten zu lassen und ihre persönlichen Geschichten hinter der Körperkunst zu erzählen. Während mehrerer Veranstaltungen im „Living Archive“ fertigten die Fotografinnen und Fotografen Marcus Engler, Antje Kröger, Hong Nguyen Thai, Benjamin Pohle, Nick Putzmann und Mo Zaboli Fotografien von mehr als 100 Teilnehmenden an. So entstand ein lebendiges und lokales Tattoo & Piercing Archiv aus dem Jahr 2017.
- Ausstellungsort
- Eintrittspreise Eintritt frei
Tattoo und Piercing
Ausgehend vom Leipziger „Living Archive“ entsteht mit Teil 2: (un)covered aus der lokalen eine globale Perspektive mit Objekten, Fotografien und Zeichnungen aus den Sammlungen der Völkerkundemuseen in Leipzig, Dresden und Herrnhut sowie dem Kupferstich-Kabinett Dresden. Die Ausstellung, kuratiert von den Leipziger Ethnologen Lydia Hauth und Kevin Bress, zeigt neue Perspektiven auf das Phänomen der Körperkunst: auf der Haut, durch die Haut, unter die Haut.
Die Fotos und Geschichten aus „Showtime!“ ziehen sich durch die Ausstellung und verbinden Vergangenheit und Gegenwart außereuropäischer Tattoo- und Piercingkultur. Eine Projektion großformatiger Fotografien aus dem „Living Archive“ zeigt zusammen mit historischen und zeitgenössischen Fotos aus der ganzen Welt die Vielfalt und Verbundenheit von Motiven und Anwendungen. Das komplette lebendige Archiv aus „Showtime!“ ist auf Touchscreens zu sehen und zu hören. Am Ende spürt die Ausstellung am Beispiel von zwölf ausgewählten Fotos und Geschichten den persönlichen Bedeutungen von Tätowierungen nach. Themen wie Schutz, Erinnerung, Heilung und Verwandlung stehen hier im Fokus und die intimen Geschichten werden ausgewählten Objekten aus der Museumssammlung gegenübergestellt.
Neben dem „Living Archive“ ist ein großer Teil des Nachlasses des zeitweise am Dresdner Völkerkundemuseum beschäftigten Volkskundlers Robert Herbert Bellmann (1903–1961) zu sehen. In dem als wissenschaftliches Nachschlagewerk angelegten Bildarchiv aus ca. 12.000 Bilddokumenten, Ausschnitten aus Zeitschriften und anderen Publikationen finden sich zahlreiche historische Abbildungen aus der ganzen Welt zum Thema Tattoo und Piercing.
Ein Ausstellungsbereich widmet sich Mustern und Motiven, die auf Gebrauchsgegenständen oder Textilien zu finden sind. Auch auf die Herstellung von Tattoos wird anhand von historischen und zeitgenössischen Tätowierwerkzeugen des britischen Sammlers Willy Robinson eingegangen.
Der fotografische Blick und der dokumentarische Umgang mit historischen Fotografien, auf denen Körperkunst zu sehen ist, stellen einen weiteren Schwerpunkt der Ausstellung dar. Zum Beispiel Fotografien, aus dem Bestand des Kupferstich-Kabinetts, des bekannten Hamburger Tätowierers Herbert Hoffmann (1920–2010), der zwischen 1950 bis 1970 etwa 400 Tätowierte portraitierte. Die seriell fotografischen Arbeiten des Leipzigers Erasmus Schröter gewähren Einblicke in den Umgang mit dem Thema in der DDR. Nach einem Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig arbeitete Schröter als freier Fotograf. Er lichtete ehemalige Gefängnisinsassen ab und gibt damit Einblicke in ein seinerzeit hochgradig tabuiertes gesellschaftliches Thema.
Die historischen Fotografien werden durch zeitgenössische Fotoserien über Vielfalt und Wandel der Tätowierkunst weltweit ergänzt: Showkat Shafi porträtierte indigene Communities der Dalits in Indien, Charles Thiefaine gewährt Einblicke in die Underground-Tätowierszene Mossuls, Mark Adams zeigt samoanische Migranten in Auckland und Jesse Lizotte fotografierte Mitglieder der kriminellen Gruppen der Yakuza in Japan. Eine Serie zeitgenössischer Kurzfilme, zusammengestellt von Annegret Richter vom Filmfestival DOK Leipzig, nimmt Tattoopraktiken aus der gesamten Welt in den Blick.
Grassi invites
Seit vielen Jahren ist die ethnologische Museumslandschaft in Europa stark in Bewegung: Umbenennungen, Neukonzeptionen der Dauerausstellungen, interdisziplinäre Kooperationen, Zusammenarbeit mit Herkunftsgemeinschaften, künstlerische Interventionen und andere Experimente zeigen diese Veränderungen deutlich.
Auch das GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig reagiert auf diese komplexen Diskurse und bietet Raum für kritische Auseinandersetzungen. Um diesen Fragen nachzugehen, organisiert das Museum die Reihe „Grassi invites“, in der es Universitäten, Kunsthochschulen, Vereine, Künstlerinnen und Künstler weltweit dazu einlädt, sich mit der Sammlung zu beschäftigen. Für Grassi invites #4 sind es die Besucherinnen und Besucher, die Teil der Ausstellung geworden sind.