Erstchecks - Sächsische Museen überprüfen ihre Bestände auf NS-Raubgut

17 July 2025

Erstchecks -Sächsische Museen überprüfen ihre Bestände auf NS-Raubgut

Seit Ende 2023 haben mehrere nichtstaatliche Museen in Sachsen ihre Sammlungen im Rahmen sogenannter Erstchecks nach Verdachtsmomenten auf NS-Raubgut untersuchen lassen. Ergebnis: In zwei von sechs untersuchten Museen gibt es begründete Hinweise, dass sich in ihren Beständen NS-Raubkunst befindet. 

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste, Magdeburg, finanziert zu 100 Prozent deutschlandweit sogenannte Erstcheck-Projekte, bei denen externe Provenienzforscher*innen speziell in kleineren Museen, Bibliotheken und Archiven die Inventare, Quellen und Zugänge seit 1933 sichten, die jeweilige Stadt- und Museumsgeschichte für die Zeit des Nationalsozialismus betrachten und schließlich den Bedarf an künftiger Provenienzforschung ermitteln. In Sachsen konnten bisher für sechs nichtstaatliche Museen Erstchecks in Kooperation mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) durchgeführt werden. Das Provenienzforschungsteam der SKD unterstützte und begleitete die Museen bei der Entwicklung, Beantragung und Durchführung von Erstchecks nach NS-verfolgungsbedingt entzogenen Objekten.

Externe Provenienzforscher*innen untersuchten die Bestände auf mögliche Verdachtsmomente. Der Historiker Mike Huth prüfte in dem Pilotprojekt dieser Erstchecks in Sachsen von Oktober 2023 bis Februar 2024 das Heimatmuseum Wilsdruff, Städtische Museen Großenhain / Alte Lateinschule und das Stadtmuseum Döbeln.

Von September 2024 bis Januar 2025 überprüften das Museum Burg Mylau, das Neuberin-Museum in Reichenbach und das Stadt- und Dampfmaschinenmuseum Werdau mit fachkundiger Unterstützung durch Provenienzforscherin Lore Liebscher ihre Sammlungen. 

Für das Neuberin-Museum gab es im Rahmen des Projekts keine begründeten Hinweise auf zwischen 1933 und 1945 verfolgungsbedingt entzogene Objekte. Im Museum Burg Mylau fanden sich u.a. zwei Fragmente hebräischer Schriften, bei denen es sich vermutlich um Raubgut aus jüdischen Gemeinden in Osteuropa handelt; ein Wehrmachtsoldat hatte mindestens eine der Schriften 1943 an das Museum geliefert. Ein vertiefendes Forschungsprojekt und die Aufnahme der Schriftfragmente als Fundmeldung in die Lost Art-Datenbank des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste sind vorgesehen.

Im Stadt- und Dampfmaschinenmuseum Werdau konnte ein Objekt identifiziert werden, das im Zusammenhang mit der vom NS-Staat als jüdisch verfolgten Familie Ringer in den Museumsbestand gelangt war: Ihr Kaufhaus am Marktplatz von Werdau war während der Novemberpogrome 1938 überfallen und zerstört worden; kurze Zeit später wurden Familienmitglieder deportiert und ermordet. Als eines der wenigen Zeugnisse der Familie hat sich das Firmenschild des Kaufhauses erhalten. Ein Werdauer Bürger übergab es 1966 an das Museum. Auf besondere Weise erzählt dieses Sammlungsstück heute vom Schicksal der Familie Ringer.

Die Ergebnisse der Recherchen konnten zusammen mit dem Firmenschild des Kaufhauses Ringer in der Sonderausstellung „Vor 80 Jahren. Kriegsende in Werdau und Umgebung“ (9.2.–15.6.2025) im Stadt- und Dampfmaschinenmuseum Werdau besichtigt werden. 

Historiker Jens Kunze, der seit einiger Zeit zur Familiengeschichte der Ringers forscht, und Museumsleiter Markus Döscher ist es gelungen, Kontakt zu Nachfahren der Familie herzustellen. Die Stadt Werdau strebt nach einer gerechten und fairen Lösung im Sinne der Washingtoner Prinzipien. 

Am 13. August 2025 wird in Erinnerung an das Schicksal der Familie Ringer in Werdau ein Stolperstein verlegt. Nachfahren der Familie werden an der Gedenkveranstaltung teilnehmen. 

Dieser Fall soll Teil des gemeinsam von den SKD und den Staatlichen Museen zu Berlin geplanten, drittmittelfinanzierten Projekts „Kunst, Raub, Rückgabe – Vergessene Lebensgeschichten“ werden. Das Bildungsprojekt dient der Antisemitismus-Prävention im städtischen und ländlichen Räumen des Freistaates Sachsen und soll deshalb nicht nur Fallgeschichten aus den SKD selbst, sondern auch solche miteinbeziehen, die einen direkten lokalen Bezug haben.

gefördert durch

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Provenienzforscherin Lore Liebscher und Museumsleiterin Sina Lorbeer-Klausnitz beim Erstcheck im Museum Burg Mylau
Provenienzforscherin Lore Liebscher und Museumsleiterin Sina Lorbeer-Klausnitz beim Erstcheck im Museum Burg Mylau © Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Celeste Schmidt
Vitrine zum Schicksal der Familie Ringer im Nationalsozialismus, Stadt- und Dampfmaschinenmuseum Werdau, Sonderausstellung „Vor 80 Jahren. Kriegsende in Werdau und Umgebung“
Vitrine zum Schicksal der Familie Ringer im Nationalsozialismus, Stadt- und Dampfmaschinenmuseum Werdau, Sonderausstellung „Vor 80 Jahren. Kriegsende in Werdau und Umgebung“ © Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Markus Dröscher
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